Strafrecht

Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Gerichtliche Kostenentscheidung, Festsetzung des Gegenstandswertes, Besonderes Gewaltverhältnis, Einstweilige Anordnung, Rechtsbeschwerdeeinlegung, Vorläufiger Rechtsschutz, Effektiver Rechtsschutz, Einstweiliger Rechtsschutz, Vorwegnahme der Hauptsache, Beurteilungsspielraum, Mitwirkungspflicht, Unerlässlichkeit, Glaubhaftmachung, Strafvollstreckungskammer, Notwendige Auslagen, Aufhebung, Unzumutbarer Nachteil, Generalklausel, Vollzugslockerung

Aktenzeichen  SR StVK 149/22

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4510
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVollzG § 114
StVollzG § 121

 

Leitsatz

Tenor

1. Die JVA wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet in Zukunft, dem Antragssteiler im Rahmen der bewilligten Begleitausgänge (insbesondere am 23.2.22) den Besuch von Gaststätten oder anderen belebten Orten zu gestatten. Dem Antragssteller wird auferlegt, sich nach Rückkehr in die JVA täglich selbst mittels eines Antigen-Schnelltests nach näherer Weisung der JVA zu testen oder testen zu lassen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Der Antragssteller trägt 25 % seiner notwendigen Auslagen selbst.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragssteller ist derzeit in der JVA … – Einrichtung für Sicherungsverwahrung – verwahrt.
Der Antragssteller begehrte mit Antrag vom 10.02.2022 im Wege einer einstweiligen Anordnung die Anstalt zu verpflichten, beim nächsten Begleitausgang eine Gaststätte besuchen zu dürfen, sowie sich zu diesem Zweck nur noch einmal pro Woche per Antigen-Test testen zu lassen.
Den Antrag bezüglich der Testpflicht hat der Antragssteller diesen mit Schreiben vom 15.02.2022 für erledigt erklärt.
Er selbst erhalte alle 14 Tage Ausführungen. Diese fänden aufgrund der Corona-Lage und der damit verbundenen Auflagen der JVA derzeit immer nur in einen Supermarkt statt. Er selbst wünsche sich jedoch zusammen mit seinem Therapeuten Kothe in eine Gaststätte ausgeführt zu werden. Er sei dreimal geimpft und erfülle damit die allgemeinen infektionsschutzrechtlichen Anforderungen für den Besuch einer solchen Gaststätte.
Bis zum September 2021 sei es ihm von der JVA genehmigt gewesen bei jedem Begleitausgang mit seinem Therapeuten auch essen zu gehen. Als er ihn seinem Antrag bezüglich des nächsten Begleitausgangs nun erneut den Besuch einer Gaststätte begehrt habe, sei ihm das von der JVA aus Gründen des Infektionsschutzes versagt worden.
Der Therapeut des Antragsstellers … gab in der Anhörung durch die Kammer an, dass er eine therapeutische Begleitung in einen belebteren Ort etwa in eine Gaststätte oder ein Kino notwendig halte, um die Resozialisierung des Antragsstellers zu gewährleisten und dessen vorzeitigen Alterungsprozess aufgrund der Hospitalisierung entgegenzuwirken. Es drohe, dass der Antragssteller „wie Sand durch die Finger rinne“.
Die Kammer hat in diesem Zusammenhang auf das Gutachten des Sachverständigen … beigezogen aus dem Fortdauerverfahren SR StVK 427/16 vom 22.4.21. Dieses stellt auszugsweise Folgendes fest:
„j) Als weiteres Procedere wird, wie unter e) bereits skizziert und von der Einrichtung beabsichtigt, empfohlen, als nächste Schritte Herrn … durch sukzessive Lockerungen lebenspraktisch zu erproben, insbesondere in seiner Fähigkeit, auch bei Exposition mit der Außenwelt Suchtmittelkarenz einzuhalten. Sollte diese Lockerungserprobung ähnlich unkompliziert verlaufen wie die bisherigen Ausführungen, erscheint es vertretbar, Herrn … in einer externen betreuten Einrichtung zu erproben, die über Erfahrung mit alkoholabhängigen Gewaltstraftätern verfügt und in die er im Rahmen der Führungsaufsicht perspektivisch entlassen werden kann.
Im weiteren Therapieprozess sollte in höheren Freiheitsgraden neben der niederschwelligen Bearbeitung des Themas Suchtmittelkarenz auch die potentielle weitere Beziehungsgestaltung von Herrn … im Fokus behalten und begleitet werden.
k) Über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende Vollzugslockerungen, insbesondere durch den Psychologen begleitete Ausgänge, erscheinen aus hiesiger Sicht vertretbar und sinnvoll, soweit sich keine Hinweise auf ein erhöhtes unmittelbares Sicherheitsrisiko ergeben, das sich jedoch aktuell nicht abbildet. Wie oben bereits dargestellt, verliefen alle bisherigen Lockerungen unproblematisch, ein erhöhtes Flucht- und Missbrauchsrisiko bildete sich über Jahre nicht ab. Die von der Anstalt geforderte Vor- und Nachbearbeitung erscheint aus hiesiger Sicht auch auf einem für Herrn … geeigneten niederschwelligen Niveau realisierbar. Die Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Psychologen besteht bereits seit längerer Zeit und erscheint aus hiesiger Sicht nach Gesprächen mit beiden Beteiligten ausreichend gefestigt.“
Im Fortdauerbeschluss vom 8.6.21 hat die Kammer folgendes ausgeführt:
„Der weitere Vollzug der Sicherungsverwahrung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil dem Verurteilten bislang keine geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung seiner Kriminalprognose angeboten worden wären.
Zentralfrage ist hierbei, ob dem Verurteilten eine individuell auf ihn zugeschnittene und intensive Therapie angeboten wurde und hinreichende Maßnahmen erfolgt sind, um die Therapieunwilligkeit und fehlende intrinsische Motivation zur Therapie aufzubrechen, und genügend Motivationsstrategien verfolgt wurden. Dabei war auch zu prüfen, ob eine hinreichende Motivation auch durch etwaige Lockerungsmaßnahmen verfolgt wurde.
Der Sachverständige … führt in seinem Gutachten aus, dass die JVA … und die JVA … dem Verurteilten ein im Ganzen fach- und sachgemäßes, diagnose- und deliktgerechtes therapeutisches Angebot unterbreitet habe. Soweit dies für den Sachverständigen ersichtlich sei, habe der Verurteilte die ihm in der JVA … angebotene Sozialtherapie über Jahre hinweg mit für seine Verhältnisse guter Motivation und Engagement genutzt. Es sei nicht zuletzt dem Störungsbild des Verurteilten, wohl aber auch seinem fortschreitenden Alter geschuldet, dass er es seit 2015 ablehne, die umfänglichen, über stützende Einzelgespräche hinausgehenden Angebote der Anstalten zur Vertiefung bzw. Wiederholung therapeutischer Inhalte anzunehmen. Weder die JVA … noch die JVA … habe es aus Sicht des Sachverständigen an Versuchen fehlen lassen, den Verurteilten zu einer erneuten Aufnahme umfänglichere Therapiemaßnahmen, insbesondere Gruppenmaßnahmen zum Thema Sucht und Konfliktbewältigung zu bewegen. Die Einrichtung für Sicherungsverwahrung sei unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich gezeigt habe, dass der Verurteilte in den letzten fast 6 Jahren störungs-/altersbedingt nicht mehr sinnvoll in solche Maßnahmen integrierbar gewesen sei, nachvollziehbar und einzig sinnvoll dazu übergegangen, dem Verurteilten stützende und ressourcenfördernde Angebote, insbesondere durch den Einzeltherapeuten, zu machen. Das von den Anstalten geleistete hohe Maß an Motivationsarbeit sollte dahingehend fortgesetzt werden, dass ein schrittweise erfolgender Lockerungsprozess in die Wege geleitet werden sollte, um dem Verurteilten die Möglichkeit zu geben, theoretische Kenntnisse praktisch zu erproben und die betreffenden Erfahrungen in Einzelgesprächen – den Möglichkeiten des Verurteilten entsprechend – zu bearbeiten.
Insbesondere werde die Fähigkeit des Verurteilten, auch bei einer Exposition mit der Außenwelt eine Suchtmittelabstinenz einzuhalten, zu erproben sein.
Sollte diese Lockerungserprobung ähnlich unkompliziert verlaufen wie die bisherigen Ausführungen, erscheine es vertretbar, den Verurteilten in einer externen betreuten Einrichtung zu erproben, die über Erfahrung mit alkoholabhängigen Gewaltstraftätern verfüge und in die er im Rahmen der Führungsaufsicht perspektivisch entlassen werden könne. Neben der niederschwelligen Bearbeitung des Themas das Suchtmittelabstinenz solle auch die potentielle weitere Beziehungsgestaltung des Verurteilten im Fokus behalten und begleitet werden.
Bezüglich der angesprochenen Lockerungen führt der Sachverständige in seinem Gutachten ergänzend noch aus, dass insbesondere durch den Psychologen begleitete Ausgänge vertretbar und sinnvoll seien, soweit sich keine Hinweise auf ein erhöhtes unmittelbares Sicherheitsrisiko ergeben würden, das sich jedoch aktuell nicht abbilden würde. Die bisherigen Ausführungen seien unproblematisch verlaufen. Ein erhöhtes Flucht- und Missbrauchsrisiko bildet sich seit Jahren nicht ab. Die Vor- und Nachbearbeitung erscheine auch auf einem für den Verurteilten geeigneten niederschwelligen Niveau realisierbar. Die Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Psychologen bestehe bereits seit längerer Zeit und erscheine nach Gesprächen mit beiden Beteiligten ausreichend gefestigt.
In der mündlichen Anhörung stellte der Sachverständige klar, dass sich die Bedeutung von begleiteten Ausgängen nach seiner Einschätzung nicht nur in der Förderung der Motivation der Therapiebereitschaft des Verurteilten sowie einer Erprobung des Verurteilten erschöpfen, sondern es aufgrund der individuellen Situation des Verurteilten darum gehe, die begleiteten Ausgänge mittelbar und unmittelbar therapeutisch zu nutzen. So sei es sei therapeutisch wertvoller, dass der Verurteilte bei Ausgängen durch sein Verhalten und seine Äußerungen therapeutisch wertvollen Stoff zur Bearbeitung liefere, als wenn er in der JVA sitze und hier nur theoretisch über etwas nachdenke. Die relevanten Themen müssten mit dem Verurteilten möglichst unmittelbar bei Auftreten besprochen und bearbeitet werden. Hierbei ist von besonderem Gewicht, dass nach der Einschätzung des Sachverständigen der Verurteilte keinen Hang zu Manipulationen habe, sondern sehr offen über seine Gedanken und Probleme spreche.
Der Sachverständige führte aus, dass die möglichst durch den zuständigen Therapeuten begleiteten Ausgänge nicht primär der Erprobung der theoretisch in der Therapie gewonnenen Erkenntnisse diene, sondern vielmehr mit dem Verurteilten die therapeutische Arbeit in der konkreten Lebenssituation während des Ausgangs erfolgen müsse („Therapie vor Ort“). Aufgrund der Limitierung der geistigen Fähigkeiten des Verurteilten und dem schnellen Verlust von theoretisch erworbenen Wissen sei es bei ihm nicht sinnvoll, theoretisch Themen zu erarbeiten und zu simulieren und sie erst nach Abschluss der theoretischen therapeutischen Arbeit zu erproben. Hierbei sei es zwar auch ein möglicher Ansatz, dass bei Ausgängen eine Begleitung durch eine andere Person wie zum Beispiel einer Sozialpädagogin erfolge und diese sodann unmittelbar dem Therapeuten nach Rückkehr berichte. Der deutlich bessere Ansatz sei jedoch die unmittelbare Begleitung durch den zuständigen Therapeuten.
Die Ausführung des Sachverständigen sind zur Überzeugung des Gerichts auch in diesem Punkt in sich stimmig, überzeugend und schlüssig. Die Kammer sieht es somit nunmehr als notwendig an, dass die Justizvollzugsanstalt die Empfehlungen des Sachverständigen zu den durch den Psychologen begleiteten Ausgängen für die Ermöglichung des von dem Sachverständigen dargestellten Konzepts der „Therapie vor Ort“ entsprechend aufgreift und nunmehr mit der gebotenen Zügigkeit vorantreibt. Zur Überzeugung der Kammer stellt dieser Schritt die einzig erfolgversprechende Möglichkeit dar, weitere Erkenntnisse über den Verurteilten zu gewinnen und somit therapeutische Fortschritte zu erzielen. Letztlich stellt die Erprobung durch mit einzeltherapeutischen Gesprächen begleitete Lockerungen, beginnend mit begleiteten Ausgängen, die letzte verbleibende und einzige Möglichkeit dar, dem Verurteilten im Rahmen eines individuell auf ihn zugeschnittenen Therapieangebots die Möglichkeit für eine weitere Entwicklung zu eröffnen, mit dem Ziel über weitere Lockerungsschritte die Möglichkeit einer Entlassung in eine betreute Einrichtung anzustreben.“
Die Konferenz vom 29. Oktober 2021 über die weiteren Begleitausgänge des Antragsstellers kam zu dem Ergebnis, dass dem Antragssteller weiterhin Begleitausgänge zu gewähren sind. Ausschlaggebend hierfür sei insbesondere das positive und absprachefähige Verhalten des Antragsstellers im Rahmen der bisher durchgeführten Begleitausgänge gewesen. Als Ergebnis ist u.a. festgehalten: „Weiterhin spricht sich auch der zuständige Einzeltherapeut für eine weitere Erprobung des Sicherungsverwahrten in Begleitausgängen auch mit anderen Bediensteten der hiesigen Einrichtung aus und stellt insbesondere das positive Lockerungsverhalten des Untergebrachten dar. Anhaltspunkte für die Annahme, das Lockerungsverhalten des Sicherungsverwahrten könnte sich im Rahmen der Begleitung durch andere Bedienstete der hiesigen Einrichtung verschlechtern, sind aus Sicht des zuständigen Einzeltherapeuten nicht ersichtlich.“
Die JVA … hat in ihrer Stellungnahme vom 10.02.2022 vorgetragen, dass aufgrund der Coronapandemie Besuche von Gaststätten derzeit nicht gestattet werden. Vollzugslockerungen könnten derzeit nur in dringenden Fällen genehmigt werden, worunter der Gaststättenbesuch nicht falle.
In der Anhörung hat die JVA mitgeteilt, dass die derzeit durchgeführten Ausgänge ihrer Meinung nach für eine Erprobung nicht ausreichen.
Aber das Risiko für die Sicherheit und Ordnung aufgrund einer möglichen Einschleppung des Corona-Virus nach dem Gaststättenbesuch wäre unverantwortbar hoch. Denn in der Gaststätte fiele während der Einnahme der Speisen der Schutz durch das Tragen einer FFP2 Maske weg, welche einen effektiven Schutz vor einer Ausbreitung des Virus bieten würde. Die Gefahr einer Infektion sei derzeit aufgrund er hohen Inzidenz von derzeit 1617,2 in der Stadt Straubing besonders hoch.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Absatz 2 Satz 2 StVollzG ist zulässig.
A.
Der Antrag ist zulässig.
1. Antrag vor Entscheidung der JVA
Es kann offen bleiben, ob die JVA einen Antrag konkret abgelehnt hat. Der Antrag ist auch nach einem konkludenten Antrag noch vor dessen Ablehnung durch die JVA zulässig. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes genügt eine Vorbefassung der Behörde, wie der rechtsprechenden des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist.
„Das hat jedoch in dem hier vorliegenden Fall nicht zur Konsequenz, dass der Antrag nach § 123 VwGO unzulässig wäre. Denn die behördliche Vorbefassung, die auch bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen zu fordern ist (BVerwG, NVwZ 2016, 1023 = Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 21; BVerwG, NVwZ 2018, 414 Rn. 9), umfasst als Voraussetzung, um gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, grundsätzlich nur die Antragstellung bei der Behörde als solche. Wartet der Ast. – wie hier – nicht die für die behördliche Prüfung und Bearbeitung angemessene Zeitspanne ab, bevor er sich an das VG wendet, und erfüllt die Behörde sein Auskunftsbegehren alsbald während des gerichtlichen Verfahrens, trägt er im Falle übereinstimmender Erledigung die Kosten (vgl. BVerwG, NVwZ 2018, 907 Rn. 21 [in diesem Heft]). Das Prozessrecht knüpft, wenn die Behörde befasst worden ist, an eine voreilige Inanspruchnahme gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes nicht die – von der dann ergehenden behördlichen Entscheidung unabhängige – Sanktion der Unzulässigkeit des Antrags.“ (BVerwG NVwZ 2018, 902 Rn. 10).
Der Antragssteller erhält turnusgemäß Begleitausgänge, wobei von Seiten der JVA auf seinen Wunsch der Besuch einer Gaststätte abgelehnt wurde. Damit liegt Vorbefassung vor, ohne dass sich der Antrag auf einen konkreten Ausgang beziehen muss.
2. Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund
Die darüber hinaus geforderte Darlegung bzw. Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist ebenfalls erfolgt. Hier genügt die schlüssige Darlegung, was hier erfolgt ist.
3. Eilbedürftigkeit kein Zulässigkeitskriterium
Die Frage eines Eilbedürfnisses ist kein eigenes Tatbestandsmerkmal und insbesondere nicht Teil der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit im Rahmen des Anordnungsgrunds. Das gilt auch für die Frage der Vorwegnahme der Hauptsache, die ebenfalls im Rahmen der Begründetheit zu diskutieren ist.
B.
Der Antrag ist begründet.
Es war anzuordnen, dass die für die Zukunft der Besuch von belebten Orten zu erlauben ist. Das entspricht dem Begehr des Antragsstellers. Die Kammer ist im einstweiligen Rechtsschutz nicht an den Antrag gebunden, insbesondere können Auflagen ausgesprochen werden. Bei veränderter Tatsachengrundlage kann die JVA Abänderung des Beschlusses beantragen. Es entspräche nicht effektivem Rechtsschutz, nur den Ausgang am 23.2. zu regeln.
Es liegt ein Anordnungsanspruch vor, ein Anordnungsgrund und auch die Vorwegnahme der Hauptsache ist gerechtfertigt.
1. Zum Anordnungsanspruch
Die JVA hat ihr Ermessen über die Frage des Ob von Begleitausgängen ausgeübt und diese im Abstand von etwa 2 Wochen bewilligt.
Streit besteht nur über das „Wie“ der Ausgänge.
Auch insoweit besteht allerdings Einvernehmen zwischen Antragssteller und der JVA, dass die derzeit gewährten Begleitausgänge zum Einkaufen nicht ausreichend sind, um den Antragssteller zu erproben und die angestrebte „Therapie vor Ort“ umzusetzen. Vielmehr wäre es auch nach den Darlegungen der JVA und des Therapeuten erforderlich, belebte Orte aufzusuchen. Dies einerseits um die Prisionisierung/Hospitalisierung des Verwahrten und sein Gefühl der Einengung aufzubrechen.
Selbst hinsichtlich der Dauer der Ausgänge hat die JVA in der Anhlörung erklärt, dass diese nur deshalb auf drei Stunden limitiert sei, weil angesichts dessen, dass nur Einkaufen im Supermarkt erlaubt sei, dies ausreichend sei, auch wenn man an unbelebten Orten spazieren gehe.
Grundsätzlich besteht daher Übereinkunft, dass die Voraussetzungen des Art. 54 BaySvVollzG vorliegen. Die JVA hat ihren Beurteilungsspielraum hinsichtlich von Missbrauchsbefürchtungen ausgeübt.
„Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, so besteht ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der vollzugsöffnenden Maßnahme, zumal auch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 4.5.2011 fordert, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund versagt werden können (vgl. NJW 2011, 1931 Rn. 116). Ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite besteht nicht (vgl. OLG Nürnberg BeckRS 2015, 14770 Rn. 15).“ (BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 15. Ed. 1.7.2021, BaySvVollzG Art. 54 Rn. 10).
Bei der Frage, wie die JVA Begleitausgänge ausgestaltet, steht ihr zwar ebenfalls ein Emressensspielraum zu,. Diesen hat sie aber auch bereits ausgeübt. In der Konferenz vom 29.10.21 wurde entschieden, dass die Lockerungen zur Erprobung gesehen sollen. Sie hat auch dargestellt, dass die Begleitausgänge wie vom Antragssteller gewünscht und vom Therapeuten unterstützt an belebtere Orte, wie Gaststätten geschehen würden, wenn nicht Infektionen mit Corona verhindert werden müssten. Insoweit hat sie ihren Beurteilungsspielraum/Ermessen ausgeübt im Sinne des Antrags, sich aber einschränkend alleine auf die Corona-Pandemie berufen.
Nach Ansicht der Kammer gelten die Vorgaben des Art. 54 II BaySvVollzG auch hinsichtlich des „Wie“ der Begleitausgänge. Demnach sind die Vollzugslockerungen in einer Form durchzuführen, dass sie ihren Zweck erreichen, nämlich den Vollzugszielen entsprechend dem individuellen Zustand des Verwahrten und dem Vollstreckungsstand dienen.
Vorliegen dienen die derzeit durchgeführten Ausgänge nicht der weiteren Entwicklung in der Therapie, noch sind sie geeignet den negativen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken oder den Bezug zum Leben außerhalb zu fördern, Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG.
Das folgt aus dem Gutachten … sowie den Angaben des Therapeuten und letztlich auch aus den Darlegungen der JVA.
Wenn die konkrete Durchführung des Ausgangs nicht geeignet ist, die Vollzugsziele zu erreichen oder diese durch eine andere Form wesentlich besser erreicht werden könnte, dann müssen nach Ansicht der Kammer entsprechend Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG „zwingende Gründe“ dafür bestehen, nicht die bessere Durchführung der Lockerung gewählt wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Anspruch auf Vollzugslockerungen durch sinnlose formale Lockerungen erfüllt wird und deswegen leerläuft.
Die JVA meint, dass dies deshalb gerechtfertigt wäre, weil unbedingt verhindert muss, dass der Antragssteller Sars-Cov-2 in die Anstalt einbringt. Der Antragssteller würde in einer Gaststätte seine Maske ablegen und daher wäre die Gefahr größer als im Supermarkt, wo man ständig seine Maske trage.
Soweit sich die JVA damit auf eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt begründet, kommt ihr kein Beurteilungsspielraum zu. Denn ein solcher insoweit ist die JVA nicht Fachbehörde. Ein Beurteilungsspielraum wird zudem nur bei Prognoseentscheidungen der JVA anerkannt. Soweit die JVA also in der Verhinderung von Infektionen einen sonstigen zwingenden Grund im Sinne des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG sieht, muss dieser der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Es kann auch offen bleiben, ob daneben die Generalklausel des Art. 6 Abs. 1 S. 2 BaySvVollzG Anwendung findet, wogegen die abschließende Regelung des Art. 54 BaySvVollzG spricht. Denn auch hier ergibt sich keine andere Rechtsfolge. Auch diese Tatbestandsmerkmale unterliegen der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Eine zwingender Grund für die gewählte Art und Weise der Durchführung des Ausgangs bzw. eine Gefahr die Anstalt liegt nicht vor.
JVA keine Infektionsschutzbehörde: Allgemeine Erwägungen zur pandemischen Lage
Die aktuelle Corona-Lage steht der Bewilligung von Vollzugslockerungen nicht grundsätzlich entgegen.
Allgemeine Erwägungen zum notwendigen Infektionsschutz in der JVA ohne Bezug zu einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung können die Versagung von Vollzugslockerungen nicht rechtfertigen. Daher kann auch eine insgesamt höhere Inzidenz die Versagung von Lockerungen nicht rechtfertigen.
Grundsätzlich ist die Kammer der Ansicht, dass die Verhinderung einer Verbreitung von SARS-CoV-2 eine Angelegenheit des Infektionsschutzes ist und daher das Gesundheitsamt bzw. das Gesundheitsministerium zu entscheiden hat, weil die JVA keine Infektionsschutzbehörde ist (dazu der Unterzeichner, COVuR 2020, 853: a.A. Arloth, 14. Ed. 1.2.2021, BayStVollzG Art. 6 Rn. 6 unter Hinweis auf BayObLG, Beschluss vom 10.12.2020 – 203 StObWs 462/20, das aber zur Rechtmäßigkeit keinerlei Ausführungen enthält auch nicht passim, wie Arloth meint).
Dabei würde die Anordnung auch nicht gegenüber der JVA ergehen, sondern gegenüber den Gefangenen. Daher liegt auch kein Fall der Polizeipflichtigkeit von Behörden vor, sondern es ist ganz einfach nur das IfSG anzuwenden.
„Der Bund hat von seiner konkurrierenden Kompetenz des Seuchenschutzes nach Art. 74 Nr. 19 GG im Hinblick auf die Verhütung der Infektion zwischen Menschen abschließend Gebrauch gemacht und hat, wie § 36 IfSG zeigt, dabei auch den Infektionsschutz in der JVA mitgeregelt. Insbesondere die Generalklausel des § 28 IfSG zeigt, dass der Bund abschließend Gebrauch gemacht hat von seiner Kompetenz. Dass § 28 a Abs. 1 Nr. 15 IfSG nun keine Besuchsverbote für Justizvollzugsanstalten vorsieht, aber für Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, kann an der fehlenden „Awareness“ des Gesetzgebers liegen oder auch daran, dass insbesondere Einrichtungen des Gesundheitswesens aufgrund der dort gehäuften Vorerkrankungen ein höheres Risiko für schwere Verläufe mit sich bringen. Damit zeigt der Gesetzgeber aber nicht, dass er von seiner Kompetenz zum Infektionsschutz für Justizvollzugsanstalten keinen Gebrauch machen will. Daneben gibt es keine Gesetzgebungsmaterie „Infektionsschutz im Strafvollzug“. Infektionsschutz ist vielmehr eine Querschnittsmaterie, die sich wie, die aktuellen Beschränkungen zeigen quer durch alle Lebensbereiche erstrecken und somit auch Materien der Länder berühren können und somit auch den Strafvollzug. Das zeigt z.B. § 28 a I Nr. 16, der sich auch dem Betrieb von Hochschulen, also klassischer Ländergesetzgebungsmaterie widmet.
Soweit der Bund von einer Materie, hier dem Seuchenschutz, abschließend Gebrauch gemacht hat, unterfällt sie nicht mehr der Landesgesetzgebung, Art. 72 Abs. 1 GG. „In diesem Sinne ist Materie regelmäßig ein durch das Bundesgesetz geregelter Ausschnitt aus Lebensvorgängen oder ein geschlossener Kreis von möglichen Handlungen im Hinblick auf ein oder mehrere zu schützende Rechtsgüter.“ Vorliegend ist das geschützte Rechtsgut und die mögliche Handlung durch das IfSG geregelt und somit kann über landesrechtliche Generalklauseln zu Gunsten des Infektionsschutzes keine Regelung erlassen werden.
Solange das Strafvollzugsrecht zur Gesetzgebungsmaterie des Bundes gezählt hat, haben sich diese Fragen hier bei der Auslegung der Generalklauseln nicht gestellt. Nachdem es sich nun aber um Landesgesetzgebung handelt, ist die Frage der Kompetenz bei der Auslegung der Generalklauseln mit heranzuziehen.
Daher scheitert auch eine Einschränkung alleine aus Gründen des Infektionsschutzes. Diese Einschränkungen des BaySVollzG können aber einerseits nur angewendet werden, wenn das Land die Gesetzgebungskompetenz besitzt für die Regelung der Materie. Zum anderen ist die Anwendung der Generalklausel ausgeschlossen, wenn eine Spezialnorm besteht, die engere oder andere Versagungsgründe vorsieht und damit abschließend ist. Das ist für den Besuch in Art. 28 BayStVollzG der Fall. Besuchsverbote können daher nicht auf die Generalklausel gestützt werden, soweit nicht eine Infektionsschutzrechtliche Anordnung oder Verordnung vorliegt.
Erst wenn eine solche Verordnung vorliegt, können die JVAen diese Anordnung oder Verordnung als Teil der „Sicherheit“ nach Art. 5 BaySvVollzG durchsetzen. Denn Sicherheit in diesem Begriff meint die Sicherheit allgemein und nicht nur wie in den Spezialnormen der JVA. Teil dieser Sicherheit sind daher vollstreckbare allgemeine Regeln außerhalb des BaySvVollzG. Das setzt daher soweit die JVA selbst nicht zuständige Fachbehörde ist eine entsprechende vollziehbare Regel voraus, die die JVA durchsetzen kann. Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum für geimpfte sind aufgehoben seit dem 17.2.22 und in der Gastronomie gilt 2G.
Selbstverständlich können derart weitreichende Einschränkungen auch nicht auf das Hausrecht oder allgemeine Erwägungen des Fürsorgegedankens für Bedienstete und Gefangene gestützt werden. Einer solchen Renaissance des „besonderen Gewaltverhältnisses“ steht der Vorbehalt des Gesetzes entgegen, der bei Strafgefangenen, die in ihrem Alltag dem Staat ausgeliefert sind, eine höhere und keine geringere Regelungsdichte verlangt. Das Hausrecht kann auf keinen Fall herangezogen werden. Denn die Gefangenen nutzen die Räume der JVA nicht freiwillig, so dass das Hausrecht und die Ermächtigung zum Erlass einer Hausordnung der JVA zwar für kleinere Verhaltensregeln tragfähige Grundlagen sein mögen. Keinesfalls können sie aber gesetzliche Positionen entziehen, weil dies dann für alle gesetzlichen Positionen der Gefangene gelten würde. Umgekehrt ist die Umsetzung der Fürsorge und Schutzpflicht zugunsten anderer Menschen im Hinblick auf den Seuchenschutz gerade die Materie des IfSG und dort geregelt. Daneben können daher Fürsorgepflichten für sich genommen keine Rolle spielen beim Eingriff in gesetzliche Rechte, wenn dies nicht aufgrund des IfSG erfolgt.“ (Gietl, COVuR 2020, 853, beck-online).
Zudem wäre auch nach dem IfSG fraglich, ob eine Maßnahme nach § 28 a I IfSG möglich wäre. Es dürfte sich zwar um eine Maßnahme handeln, die auf § 28 a I Nr. 3 IfSG gestützt werden kann.
Unerlässlich zur Abwehr einer Gefahr der Sicherheit, bzw. sonstige zwingende Gründe
Soweit allerdings aus der Verbreitung der Krankheit mittelbar auch die Sicherheit der Anstalt gefährdet ist, kann dies Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen.
Die Verbreitung einer Infektion mit SARS-CoV-2 gefährdet zwar wegen der Möglichkeit der Infektion von Bediensteten und Gefangenen auch den geregelten Dienstbetrieb und damit die Sicherheit und Ordnung der Anstalt.
Angesichts der drohenden Gefahr, dass der „Betrieb“ in der JVA wiederum Wochen ruht oder die Sicherheit dort gefährdet ist, mag dies möglicherweise ausreichen.
Dabei hat die JVA aber darzulegen, dass ein solches Problem tatsächlich und konkret droht. Alleine vage Befürchtungen können keinen solchen zwingenden Grund darstellen.
Es ist natürlich wünschenswert, dass in der Sicherungsverwahrung keine Fälle von SARS-Cov-2 auftreten. Allerdings darf dieses Ziel nicht mit allen verfügbaren Mitteln verfolgt werden. Vielmehr steht diese Zielerreichung natürlich unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, was sich aus der Formulierung „zwingende Gründe“ in Art. 54 bzw. „unerlässlich“ in Art. 6 BaySvVollzG ergibt.
Es handelt sich aber bei der Verhinderung sämtlicher Infektionen in der Sicherungsverwahrung um kein Ziel mehr, dessen Erreichung die Einschränkung von therapeutisch und zur Resozialisierung und vor allem zur Prognosebegutachtung erforderlichen Vollzugslockerung rechtfertigen könnte.
Die 7-Tage-Inzidenz beträgt heute bundesweit 1.371,7, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen dürfte. Bei einer Einwohnerzahl von 83 Mio bedeutet dies 1.138.511 Infektionen pro Woche plus Dunkelziffer. Trotz dieser Infektionszahlen werden derzeit weitreichende Lockerungen durchgeführt mit dem Ziel bei positiven Verlauf am 20.3. alle „tiefergehenden“ Schutzmaßnahmen aufzuheben. Das ist eine offenkundige Tatsache, die sich aus den Bekanntmachungen der MPK ergibt.
Damit ist es gesamtgesellschaftlich mittlerweile anerkannt, dass eine Vielzahl von Infektionen hingenommen wird. Dies hat seinen Grund in der hohen Impfquote und der seltenen Hospitalisierungen in Verbindung mit der Omikron-Variante.
Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung führt dazu, dass zwingend Fälle von SarS-Cov-2 bei den Bediensteten in der Sicherungsverwahrung auftreten wird und das Risiko der Ausbreitung besteht. Zwar besteht für die Bediensteten bei Kontakt mit anderen Bediensteten oder Verwahrten eine Maskenpflicht. Umgekehrt besteht allerdings auch für den Antragssteller eine solche Maskenpflicht außerhalb seines Zimmers. Das Übertragungsrisiko von Antragssteller auf Bedienstete ist also durch die wechselseitige Maskenpflicht und die Impfung bereits reduziert. Auch hier handelt es sich um offenkundige Tatsachen, die den ständigen Berichten und Empfehlungen des RKI folgen.
Alleine die Möglichkeit, dass sich der Antragssteller in seinem Zimmer ohne Maske mit einem anderen Verwahrten aufhalten könnte, wie die JVA meint, führt nach Ansicht der Kammer umgekehrt nicht zu einem konkreten Risiko, dass sich eine Infektion über die ganze Sicherungsverwahrung ausbreiten würde.
Denn es ist nicht damit zu rechnen, dass der Antragssteller mit einer Vielzahl von Verwahrten ohne Maske zusammen kommt. Zudem obliegt es ihm, sich täglich zu testen, was er durch seine Erledigterklärung auch anerkannt hat und ihm auferlegt wird. Die JVA kann diese Pflicht als Nebenbestimmung aufnehmen und sollte der Antragssteller dem nicht nachkommen, können für die Zukunft Ausgänge verweigert werden. Das sollte genügen, um den Antragssteller zur Befolgung anzuhalten.
Es ist auch nicht mit einem kompletten „Shutdown“ der Anstalt bei einzelnen Fällen zu rechnen. Die Entscheidung, ob ein Verwahrter sich in Isolation begeben muss steht nach ständiger Rechtsprechung der Kammer dem Gesundheitsamt zu, welche sich an der AV Isolation richtet. Demnach müssen Verwahrte und Bedienstete dann in Isolation, wenn sie positiv getestet sind oder wenn sie Kontaktperson waren und die Zweitimpfung länger als drei Monate zurück liegt oder sie nicht geboostert sind.
Der Kammer ist der Impfstatus des Bediensteten und der Verwahrten nicht bekannt. Allerdings obliegt es deren Selbstverantwortung, sich selbst zu schützen. Umgekehrt obliegt es der JVA die Bediensteten zur Impfung zu motivieren. Dass der Gesetzgeber die JVA nicht in § 20 a IfSG aufgenommen hat, kann umgekehrt nicht dazu führen, dass alleine die Verwahrten die Folgen eines Infektionsrisikos von ungeimpften Bediensteten tragen müssen.
Ob durch eine einzelne oder vereinzelte Infektionen eine Gefahr für den Betrieb der JVA entsteht hat die JVA auch selbst in der Hand. Insbesondere dadurch, dass sie ihren Umgang mit geimpften/geboosterten Kontaktpersonen überdenkt.
Dass die JVA möglicherweise freiwillig Kontaktpersonen im Kreis der Bediensteten vom Dienst freistellt auch wenn sie nicht unter die AV Isolation fallen, ist sicherlich lobenswert.
Der dadurch entstehende freiwillige Ausfall von Personal kann aber nicht bereits präventiv dazu führen, dass den Verwahrten gesetzlich zustehende Rechte vorenthalten werden. Vielmehr ist es Aufgabe des Freistaats für eine ausreichende Personaldecke zu sorgen, die mittlerweile eben auch so dick sein muss, das einige freiwillig oder durch AV Isolation ausfallende Bedienstete ausgleichen kann. Gleichzeitig kommt in Betracht auch die Bediensteten bzw. die Kontaktpersonen zum Dienst zuzulassen, wenn diese einen Schnelltest oder einen PCR-Test macht. Zur Sicherung ausreichender Test-Kapazitäten hätte die Anstalt nunmehr fast 2 Jahre Zeit. Der Aufwand ist hinzunehmen, soweit es sich wie bei der Sicherungsverwahrung um Verwahrte handelt, deren Außenorientierung letztlich mit allen zumutbaren Mitteln zu fördern ist.
Dass die JVA ihren Betrieb bei Ausbruch eines Infektionsfalles weitgehend einschränkt ist letztlich eine Entscheidung der JVA, die zur Verhinderung eines weitergehenden Ausbruchs sicherlich effektiv ist. Allerdings ist die Frage, ob diese freiwillige Maßnahme der JVA tatsächlich noch in die Gefahrbewertung einzustellen ist.
Denn es handelt sich um ein unerreichbares Ziel, wie die Zahl von über einer Millionen Infektionen zeigt. Es ist auch nicht absehbar, dass angesichts der Lockerungen in der Allgemeinbevölkerung diese Zahlen massiv sinken werden. In der Folge ist zu fragen, wie mit dieser Situation auf Dauer im Strafvollzug umzugehen ist. Nachdem die JVA keine konkrete Perspektive insoweit bieten kann, ist die Kammer der Ansicht, dass angesichts der nunmehr aufgehobenen Kontaktbeschränkungen für geimpfte in Bayern es an der Zeit ist, diesen Schritt auch in der JVA nachzuvollziehen und wieder Vollzugslockerungen in einem größeren Umfang zu gewähren. Daher ist eine Versagung von dringend indizierten Vollzugslockerung nicht mehr rechtmäßig wegen der allgemeinen Infektionslage.
Die Strategie der JVA führt letztlich dazu, dass dauerhaft keine Vollzugslockerungen mehr gewährt werden können, solange das Virus noch existiert. Eine konkrete Schwelle für die Inzidenz oder konkrete Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung deren Abschaffung die JVA abwartet, sind nicht benannt.
Es obliegt der JVA daraus die organisatorischen Schlüsse zu ziehen und ihr Schutzkonzept insgesamt diesen Gegebenheiten anzupassen. Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass selbst bei weiträumigeren Vollzugslockerungen das Risiko einer Infektion eines Bediensteten in der Sicherungsverwahrung immer noch bei weitem das durch die Verwahrten übertrifft. Gleichzeitig haben die Verwahrten nunmehr fast 2 Jahre starke Einschränkungen hinnehmen müssen, so dass zu fordern ist, dass sie auch an den Lockerungen in der Allgemeinbevölkerung zwingend teilnehmen müssen, um weitere Schäden abzuwenden.
Der Antragssteller selbst ist dreifach geimpft. Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass er sich in der Anstalt nicht an die Hygiene-Regeln halten würde. Umgekehrt berichtet sein Therapeut davon, dass er sehr zurückgezogen in seinem Zimmer sei.
Es droht auch keine Hospitalisierung wegen Corona für eine Vielzahl von Verwahrten. Die Impfung schützt weitreichend vor Hospitalisierung, jedenfalls für 6 Monate. In der Gesamtbevölkerung sind trotz stark gestiegener Inzidenzen keine Anstiege aufgetreten. Das ist ja auch der Grund dafür, dass ab dem 20.3. Keine tiefergehenden Maßnahmen mehr angewendet werden sollen.
Die Hospitalisierung kann daher nicht durch die Bindung von Personal zur Aufsicht die Anstalt gefährden, weil sie nicht konkret zu befürchten ist, allenfalls abstrakt.
Auch droht geboosterten und vor nicht weniger als drei Monaten geimpften Bediensteten keine Quarantäne und damit ein Ausfall als Aufsichtspersonal.
Es stellt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit weiter die Frage, ob der Impfstatus von Bediensteten geeignet ist, Rechte der Gefangenen präventiv zu beschneiden. Das Verhalten der Bediensteten und die fehlende Impflicht in diesem sensiblen Bereich ist der Antragsgegnerin zuzurechnen und nicht dem Antragssteller.
Soweit sich ein Bediensteter tatsächlich infizieren sollte fällt er im Dienst zwar aus für die Dauer der Krankheit oder der Quarantäne. Das aber ist mittlerweile ein allgemeines Lebensrisiko, dass die Anstalt nicht vorbeugend dergestalt auflösen darf, dass sie den Gefangenen Lockerungen entzieht. Denn die Bediensteten können sich nicht nur in der JVA anstecken, sondern ebenso privat. Eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der JVA kann sicher daher hier nur dann ergeben, wenn tatsächlich konkret Personalnot droht und eine Ansteckung am Dienstort wesentlich wahrscheinlicher ist als im privaten Umfeld.
Es mag sein, dass auch geimpfte Bedienstete die Kontaktpersonen waren, innerdienstlich vom Dienst freigestellt werden. Dabei handelt es sich um eine vorbeugende Maßnahme des Infektionsschutzes durch die JVA, die sicherlich lobenswert ist. Das kann aber nicht zu einer präventiven Versagung von Lockerungen führen, wenn sich ein Personalengpass nicht konkret abzeichnet. Denn es obliegt nach ständiger Rechtsprechung der JVA für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen. Nur wenn diese nicht mehr zumutbar geleistet werden kann, können Lockerungen versagt werden.
Mitwirkungspflichten nach 58 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 50 BaySvVollzG
„Daneben sieht Art. 58 Abs. 2 BayStVollzG zwar eine Unterstützungspflicht für Maßnahmen des Gesundheitsschutzes und der Hygiene vor. Dabei ergibt sich bereits aus Art. 58 Abs. 1 S. 2 BayStVollzG in Verbindung mit Art. 108 BayStVollzG, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Maßnahmen nur unter den dort beschriebenen Bedingungen zulässig ist, also insbesondere eine zwangsweise Untersuchung und Behandlung oder Ernährung. Andere Maßnahmen sind nicht vorgesehen. Eine Maskenpflicht von Gefangenen mag man aufgrund dieser Unterstützungspflicht noch annehmen können, darüberhinausgehende Maßnahmen kann man auf diese Rechtsgrundlage m. E. nicht stützen. Denn die Pflicht zur Unterstützung kann nicht einfach in einen Duldungszwang von Eingriffen und einen Entzug von Ansprüchen/Rechten umgedeutet werden.“ (Gietl, COVuR 2020, 853).
Fürsorge für Mitverwahrte und Bedienstete
Auch können allgemeine Fürsorgegedanken keine gesetzliche Grundlage ersetzen. Denn es ist gerade Aufgabe des Gesetzgebers die Einschränkung der Freiheitsrechte Dritter auch zu Gunsten Dritter (Fürsorgeprinzip) zu regeln. Das hat er durch das IfSG und das BaySvVollzG auch getan. Jede andere Einschätzung würde die Abschaffung des besonderen Gewaltverhältnisses rückgängig machen und in ihr Gegenteil verkehren.
„Das GG ist eine wertgebundene Ordnung, die den Schutz von Freiheit und Menschenwürde als den obersten Zweck allen Rechts erkennt; sein Menschenbild ist allerdings nicht das des selbstherrlichen Individuums, sondern das der in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit (BVerfGE 12, 45 [51] = NJW 61, 355; BVerfGE 28, 175 [189]). In Art. 1 Abs. 3 GG werden die Grundrechte für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung für unmittelbar verbindlich erklärt. Dieser umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt widerspräche es, wenn im Strafvollzug die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden könnten. Eine Einschränkung kommt nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des GG gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerläßlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen geschieht. Die Grundrechte von Strafgefangenen können also nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das allerdings auf – möglichst engbegrenzte – Generalklauseln nicht wird verzichten können.“ (BVerfG NJW 1972, 811).
Das gilt genauso für die durch einfaches Recht zugebilligte Vollzugslockerungen. Denn der Freiheitsentzug steht von vornherein unter der Beschränkung, dass bei vorliegen der Voraussetzungen die Lockerungen zu gewähren sind. Die Versagung ist daher ein Eingriff in Art. 2 II GG und daher an den Maßstäben des BVerfG zu messen.
Eine Schutzpflicht für Bedienstete kann daher die Versagung von Lockerungen nicht begründen. Denn diese verlassen die Anstalt auch privat. Es handelt sich letztlich bei der Infektion am Arbeitsplatz um allgemeines Lebensrisiko, das auch Bedienstete am Amtsgericht … tragen müssen.
Die Kammer verkennt nicht die Schutzpflichten der JVA auch für andere Gefangene und die Todesgefahr für diese Personen und die o.g. Mitwirkungspflicht.
Allerdings ist diese Fürsorgepflicht, wie dargelegt, für sich genommen nicht geeignet, gesetzliche Rechte einzuschränken. Zudem kann die Fürsorgepflicht nicht dauerhaft dazu führen, dass Geimpfte ihre Rechte vorenthalten werden zu Gunsten von ungeimpften Verwahrten. Soweit es keinen medizinisch zwingenden Grund gibt, dass die Impfung unterlassen wird, hat sich der Verwahrte selbstbestimmt dafür entschieden, ungeimpft zu bleiben. Dann aber wäre es paternalistisch, diesen Gefangenen zu Lasten anderer Gefangenen, vor den Folgen seiner Impfentscheidung zu beschützen. Hier endet daher zwingend ohnehin die Fürsorgepflicht.
Auch besonders gefährdete Verwahrte wird man nach 23 Monaten Pandemie in Deutschland eher durch organisatorische Maßnahmen als durch pauschale Lockerungsversagung schützen müssen. Dass im offenen Vollzug derartige Personen anwesend sind, ist nicht erkennbar.
Zuzugeben ist, dass ein absoluter Schutz vor Einschleppung von SARS-CoV-2 in die Anstalt durch Gefangenen nicht gewährleistet ist. Das aber ist ohnehin nicht möglich, weil auch die Bediensteten das Virus einschleppen können. Zudem ist eine Abwägung durchzuführen, die nicht pauschale und dauerhaft zu Gunsten der Sicherheit stattfinden kann.
(Vergleiche zum Ganzen die ständige Rechtsprechung der Kammer zu Lockerungen im offenen Vollzug: LG Regensburg Beschl. v. 11.11.2021 – SR StVK 1144/21, BeckRS 2021, 35002).
Gesamtabwägung: Verhältnismäßigkeit
Letztlich ist daher im Rahmen der Frage, welche Gefahren hinzunehmen sind auch eine Abwägung mit dem Nutzen vorzunehmen. Nur im Rahmen einer solchen Abwägung kann ermittelt werden, ob die Gründe zwingend sind und eine verhältnismäßige Einschränkung darstellen.
Diese Abwägung geht angesichts der drohenden weiteren Prisionisierung, der anstehenden Fortdauerentscheidung, für die Erkenntnisse aus den Ausgängen notwendig sind sowie den Therapiestillstand eindeutig zu Gunsten des Antragsstellers aus.
Den letztlich unvermeidbaren Risiken durch Sars-Cov-2 wird die JVA in derartigen Fällen in Zukunft durch organisatorische Maßnahmen, ggf. eine Personalreserve, weniger restriktiven Umgang mit geimpften Kontaktpersonen über die AV Isolation hinaus und die konsequente Umsetzung der Maskenpflicht für Bedienstete zu entgegnen haben. Dabei ist insbesonder auch die Dauer der Einschränkungen und auch die andernfalls fehlende Öffnungsperspektive für die Verwahrten in die Abwägung einzubeziehen.
2. Zum Anordnungsgrund
Vorliegend liegt auch ein Anordnungsgrund für die beantragte Regelungsverfügung vor. Die Anordnung ist nötig, um gewichtige Nachteile des Antragsstellers für seinen Freiheitsanspruch aus Art. 2 II 2 GG und seine Resozialisierung abzuwenden.
„Wenn es um die vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses, also die angestrebte Veränderung des Status quo geht (VG Kassel BeckRS 2012, 59959), dann ist der Anordnungsgrund für die Regelungsanordnung gegeben, wenn diese nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, § 123 Abs. 1 S. 2.
Die Frage, ob eine vorläufige Regelung „nötig erscheint“, ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen ist das Interesse des Antragstellers an der begehrten Regelung mit dem Interesse des Antragsgegners an der Beibehaltung des bestehenden Zustands (VG Bayreuth BeckRS 2015, 51653; Schoch/Schneider VwGO/Schoch Rn. 82). Zu diesem Zweck ist die Situation, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung ergibt, mit der zu vergleichen, die sich ergibt, wenn der Antrag zurückgewiesen wird.
Das Gericht prüft also zunächst, welche nachteiligen Folgen der Antragsteller zu befürchten hat, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird und sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der geltend gemachte Anspruch besteht. Die Gewichtung dieser Folgen ist verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG determiniert.
Je schwerer die für den Antragsteller zu erwartenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (BVerfG 2. Kammer des Ersten Senats NVwZ-RR 2005, 442 (443)). Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere zu gewähren, wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (BVerfG NJW 1989, 827; SG Fulda NZS 2011, 545 (Anordnung auf Bewilligung einer Drogentherapie, um eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 57 StGB zu ermöglichen)).“ (BeckOK VwGO/Kuhla, 57. Ed. 1.7.2020, VwGO § 123 Rn. 126-128).
„Das Gericht untersucht ferner, welche Nachteile auf Seiten des Trägers öffentlicher Gewalt zu befürchten sind, sofern die einstweilige Anordnung erlassen wird und sich in einem späteren Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch nicht durchsetzen kann (OVG Schleswig NVwZ-RR 1992, 387).“ (BeckOK VwGO/Kuhla, 57. Ed. 1.7.2020, VwGO § 123 Rn. 130).
a) Nachteile für den Antragssteller
(1) Verzögerung der Entlassung
Die Kammer hat im letzten Fortdauerbeschluss angemahnt, dass nunmehr der Antragssteller in Lockerungen zu erproben sei, auch um eine ausreichende Prognosebasis für die Frage einer Aussetzung zu Bewährung zu haben und damit eine Entlassung in ein Heim perspektivisch ermöglicht wird.
Sollte der Antragssteller nicht weiter derart erprobt werden, droht ein Prognosedefizit. Ein solches Prognosedefizit gefährdet die Entlassung des Antragsstellers und bei einer Entlassung aufgrund Verhältnismäßigkeit ggf auch die Allgemeinheit.
(2) Gefahr für die Therapie
Ausweislich der Angaben des Herrn K. drohen sogar Therapierückschritte, wenn nicht zeitnah weiter gelockert wird. Es droht wegen der Prisionisierung, dass der Antragssteller für komplexe Themen nicht mehr erreichbar ist.
Das ist angesichts der von ihr befürchteten Hospitalisierung und einem eventuell nachlassenden kognitiven Fähigkeit des Antragsstellers nachvollziehbar und die Kammer schließt sich dem an.“
(3) Gesundheitsgefahren für den Antragssteller
Hinzu kommt, dass beim Antragssteller die weitere Hospitalisierung droht mit entsprechendem kognitiven Abbau und sozialem Rückzug. Nach den Angaben des Therapeuten sind dafür Ausgänge mit mehr Menschenkontakt notwendig, um dies zu bekämpfen und aufzuholen.
b) Gefährdung der Sicherheit und der Interessen der JVA
Den Nachteilen für den Antragssteller stehen Gefahr einer Infketion des Antragsstgellerse mit SarS-Cov-2 gegenüber und ggf. dadurch der Ausfall von Bediensteten zur Aufsicht und damit eine Gefahr für die Anstalt. Dabei ist allerdings zu sehen, dass eine derartige Infektion wie oben dargestellt mittlerweile eine Alltagsgefahr ist und alle Personen die Möglichkeiten hatten sich impfen zu lassen. Ihnen ist nach Ansicht der Kammer mit organisatorischen Maßnahmen zu begegnen.
c) Abwägung
Der Freiheitsanspruch des Antragsstellers und die Verhinderung von Therapierückschritten sowie die hohe Wahrscheinlichkeit eines Anordnunganspruchs führen hier dazu, dass die Nachteile für die JVA und die Sicherheit zurücktreten müssen.
Bei der Abwägung ist auch zu Grunde zu legen, was die Kammer ihrer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung im Verfahren SR StVK 427/16 festgehalten hat und oben im Tatbestand beschrieben ist. Demnach droht insbesondere die Verlängerung der Unterbringung, was angesichts des Freiheitsanspruchs des Verwahrten unbedingt verhindert werden muss. Umgekehrt muss auch eine Entlassung wegen Verhältnismäßigkeitsgrunden verhindert werden.
d) Vorwegnahme der Hauptsache
Die Entscheidung nimmt die Hauptsache endgültig vorweg.
Entgegen der von der JVA regelmäßig vertretenen Rechtsansicht ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht generell unzulässig.
„Auch für diese Form der Vorwegnahme gilt die Einschränkung nicht immer. Im Interesse effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) kann es geboten sein, die Hauptsache vorwegzunehmen, sofern eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes den Antragsteller schwer und unzumutbar oder irreparabel belasten würde (BVerfG NJW 2002, 3691; BVerwG NVwZ 2000, 189; OVG Hamburg BeckRS 2020, 9944; OVG Berlin-Brandenburg NJW 2018, 2217; VGH München BeckRS 2018, 8608; OVG Münster BeckRS 2016, 55713; OVG Münster BeckRS 2016, 41509; VGH München BeckRS 2011, 54237; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2011, 45065; OVG Bautzen BeckRS 2010, 50450; OVG Münster BeckRS 2009, 37413; OVG Schleswig BeckRS 2008, 40366; OVG Münster BeckRS 2007, 21718; OVG Saarlouis NVwZ-RR 2005, 550). Je schwerer die mit einer Versagung von Eilrechtsschutz verbundenen Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Entscheidung zurückgestellt werden (BVerfG 2. Kammer des Erstens Senats NJW 2017, 545). Der vorläufige Rechtsschutz ist also zu gewähren, wenn sonst dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG 3. Kammer des Ersten Senats BeckRS 2009, 39313). Der Anordnungsgrund hat in diesen Fällen ein solches Gewicht, dass dem Antragsteller ein weiteres Zuwarten nicht zugemutet werden kann, weil Rechtsschutz dann nicht mehr gewährt werden könnte. Es müssen also unzumutbare Nachteile zu besorgen sein, die über die mit einem Zeitverlust stets einhergehenden Belastungen hinausgehen, welche die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Anordnung rechtfertigen (zu Beispielen Kuhla/Hüttenbrink VerwProz/Kuhla J 215; Schoch/Schneider VwGO/Schoch Rn. 155) (→ Rn. 156.1).“ (BeckOK VwGO/Kuhla, 57. Ed. 1.7.2020, VwGO § 123 Rn. 156).
Dies ist hier wie oben dargestellt der Fall. Die Resozialisierung des Antragsstellers droht zu Scheitern oder erheblich verzögert zu werden. Zudem besteht Therapiestillstand und es drohen Therapierückschritte und Gesundheitsgefahren.
Hinzu kommt auch das teilweise von der Rechtsprechung verlangte hohe Wahrscheinlichkeit für das Obsiegen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
Soweit der Antragssteller den Antrag wegen der Testpflicht erledigt erklärt hat, wäre dieser unbegründet gewesen. Gerichtskosten fallen nicht an. Insoweit trägt er die notwendigen Auslagen selbst. Die Kammer bewertet die Testpflicht mit 500 EUR, die Drohung mit der Isolierung mit 500 EUR und die Ausgänge mit 1.000 EUR.
Insofern trifft ihn nach Art. 58 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 50 BaySvVollzG eine Mitwirkungspflicht im Rahmen der Gesundheitsvorsorge. Es handelt sich um einen geringen Eingriff, der zu einer Aufhebung im einstweiligen Rechtsschutz keinesfalls geführt hätte.
Der Antragssteller hätte allerdings obsiegt, soweit ihm damit gedroht wurde, bei Nichtbeachtung der Testpflicht in seinem Haftraum isoliert worden wäre. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nach Ansicht der Kammer nicht ersichtlich. Eine solche Isolierung setzt nach Art. 15 I Nr. 1 BaySvVollzG eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt voraus. „Eine Einschränkung aus Gründen der Sicherheit der Anstalt (Nr. 1 Alt. 1) kann bspw. zur Vermeidung von Übergriffen gerechtfertigt sein (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35). Weniger belastende Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit gehen jedoch vor.“ (BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 15. Ed. 1.7.2021, BaySvVollzG Art. 15 Rn. 4).
Die Gefahr für sie Sicherheit der Anstalt muss hinreichend konkret sein. Alleine die vage Chance möglicherweise infiziert zu sein kann dafür nicht genügen. Denn dann müssten ständig alle Verwahrten in ihrem Unterbringungszimmer bleiben. Die Testpflicht wäre daher disziplinarisch durchzusetzen oder bei der Frage, ob sich daraus schließen lässt, dass dann eben doch zwingende Gründe vorliegen die Lockerungen zu versagen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1, 2 GKG.
III.
Gegen die vorliegende Entscheidung ist ein Rechtsmittel gemäß § 114 Absatz 2 Satz 3, 1. Halbsatz StVollzG nicht gegeben. Wenn die Hauptsache vorweggenommen wird, kann die JVA wohl nach ständiger Rechtsprechung Rechtsbeschwerde einlegen.


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