Verwaltungsrecht

Anspruch auf Herausgabe polizeilich sichergestellter Sachen

Aktenzeichen  RN 4 K 17.556

Datum:
14.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19766
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1006 Abs. 1 S. 1
PAG Art. 2 Abs. 2, Art. 25 Abs. 1 Nr. 2, Art. 28 Abs. 2
StPO § 170 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Sommerreifen. Das klägerische Begehren bezieht sich dabei nicht auf die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Sicherstellung (dazu I.), sondern ausschließlich auf den Herausgabeanspruch nach Art. 28 PAG, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen (dazu II.). Ohne Erfolg bleibt auch der Antrag, den Verzug des Beklagten mit der Herausgabe festzustellen und ihn zur Tragung entsprechender Kosten zu verurteilen (dazu III.).
I.
Es kommt entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die Rechtmäßigkeit der verdachtsunabhängigen Polizeikontrolle am 23.11.2016 an, die zur Sicherstellung der Reifen geführt hat. Der anwaltlich vertretene Kläger begehrt mit seinen Anträgen die Herausgabe der sichergestellten Reifen, ohne indes die Aufhebung der nunmehr bestandskräftigen polizeilichen Sicherstellunganordnung geltend zu machen. Zusätzlich hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers deutlich gemacht, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung aus seiner Sicht nicht ankomme, weil zumindest zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Voraussetzungen dafür weggefallen seien (S. 5 der Klageschrift). Der nach § 88 VwGO zu würdigende klägerische Antrag ist deshalb ausschließlich als Klage auf Herausgabe nach Art. 28 Abs. 1 PAG und nicht als Klage auf Folgenbeseitigung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG zu verstehen. Dabei bezieht sich der Antrag – obschon er von 18 Reifen spricht – tatsächlich lediglich auf die sichergestellten 16 Reifen. Dies ergibt sich für das Gericht, das an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist (§ 88 VwGO) zweifelsfrei aus der im Antrag enthaltenen Aufzählung der konkreten Gegenstände.
II.
Die beantragte Herausgabe der Autoreifen an den Kläger setzt nach Art. 28 PAG voraus, dass die Voraussetzungen der Sicherstellung entfallen sind (dazu 1.), dass es sich bei dem Kläger um einen Berechtigten handelt (dazu 2.) und dass sein Herausgabebegehren nicht rechtsmissbräuchlich ist (dazu 3.). Für den Kläger ist keine dieser Voraussetzungen zu bejahen.
1. Ein Herausgabeanspruch besteht nach Art. 28 Abs. 1 PAG dann, wenn die Voraussetzungen für die Sicherstellung entfallen sind. Die Sicherstellung der Reifen am 23.11.2016 erfolgte auf Grundlage von Art. 25 Nr. 2 PAG in der damals geltenden Fassung, um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor deren Verlust zu schützen. Die zuständigen Polizeibeamten gingen bei der Sicherstellung davon aus, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegt sei und der Kläger damit nicht als Eigentümer oder rechtmäßiger Besitzer der Reifen angesehen werden könne. Als Indizien für die Widerlegung der Eigentumsvermutung haben die Polizeibeamten im Zeitpunkt der Sicherstellung die nicht nachgewiesene Herkunft der Gegenstände, das Fehlen eines Kaufbelegs und den Unterschied zwischen bezahltem Preis und angenommenem Wert herangezogen. Hinsichtlich dieser Aspekte ist zwischenzeitlich keine Änderung eingetreten, die zum nachträglichen Wegfall der Voraussetzungen der Sicherstellung geführt hätte. Der Kläger kann die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nach wie vor nicht für sich beanspruchen, denn zu seinen Lasten greifen unverändert die obengenannten, bereits von der Polizei zugrunde gelegten Indizien und Erfahrungssätze ein, die mit einem brauchbaren Grad an Gewissheit sein Eigentum weniger wahrscheinlich machen als das Dritter (BVerwG, U.v. 24.4.2002 – 8 C 9/01 – NJW 2003, 689/690, BayVGH, B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – juris Rn. 11).
So hat der Kläger für die Reifen nach wie vor keinen Kaufbeleg oder sonstigen Erwerbsnachweis vorgelegt und auch keine weiteren Angaben zum Verkäufer gemacht. Vielmehr beschränkt sich der Klägerbevollmächtigte auf umfangreiche Ausführungen dazu, weshalb die Vorlage eines Kaufbelegs oder die Angabe des Verkäufers von ihm nicht verlangt werden könne. Unabhängig davon, dass ein positiver Eigentumsnachweis auf diese Weise nicht geführt werden kann, überzeugen die Ausführungen dazu auch in der Sache nicht. Denn wenn der Kläger den Polizisten – wie von seinem Bevollmächtigten behauptet – angeboten hat, sie zu dem betreffenden Autohaus zu fahren, dann leuchtet nicht ein, wieso er im Gerichtsverfahren nicht die Möglichkeit genutzt hat, den Namen des Autohauses etwa mithilfe von Kartenmaterial im Internet zu ermitteln und dem Gericht mitzuteilen. Auch der Einwand des Klägerbevollmächtigten, der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig, vermag dieses Versäumnis nicht zu erklären. Denn der Kläger ist zwischenzeitlich anwaltlich vertreten, sodass er jedenfalls unter Einschaltung eines Dolmetschers in der Lage sein müsste, selbst einen Kaufnachweis zu beschaffen oder zumindest sachliche Angaben zur Ermittlung des Autohauses zu machen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Klägerbevollmächtigte mit seinem Vorbringen zu den fehlenden Sprachkenntnissen des Klägers in Widerspruch zu seinem eigenen Vortrag setzt, wonach der Kläger den Polizeibeamten angeboten haben will, sie zu dem betreffenden Autohaus zu fahren. Denn wie der Kläger einerseits des Deutschen nicht mächtig sein kann, andererseits aber den Polizisten das genannte Angebot gemacht haben will, erschließt sich nicht.
Anders als der Kläger meint, wird das seitens der Polizisten zugrunde gelegte Indiz eines fehlenden Belegs auch nicht durch seinen Hinweis entkräftet, selbst ohne Beleg könne ein Erwerb in einem Autohaus steuerrechtlich unbedenklich sein, weil die Reifen möglicherweise vorher aus dem Betriebsvermögen entnommen worden seien und die Veräußerung deshalb nicht mehr der Umsatzsteuer unterliege. In tatsächlicher Hinsicht ist dieser Vortrag schon deshalb zweifelhaft, weil dem Kläger nach seinen eigenen Angaben die Reifen wahlweise zu einem höheren Preis mit Beleg angeboten wurden. Er geht aber hinsichtlich der Frage, ob zugunsten des Klägers die Eigentumsvermutung eingreift, ohnehin ins Leere. Denn die steuerrechtliche Unbedenklichkeit eines etwaig stattgefundenen Erwerbsvorgangs erlaubt weder Rückschlüsse darauf, ob der vom Kläger behauptete Erwerbssachverhalt tatsächlich wie behauptet stattgefunden hat, noch darauf, ob dabei ein rechtswirksamer Eigentumsübergang erfolgt ist. Des vom Kläger beantragten Rechtsgutachtens zur Frage der steuerrechtlichen Rechtmäßigkeit eines solchen Erwerbs bedarf es schon aus diesem Grund nicht.
Soweit der Kläger auf die Tatsache verweisen lässt, er habe – anders als von der Polizei zunächst angegeben – statt eines Fahrzeugs mit tschechischem Kennzeichen eines mit schweizerischem Länderkennzeichen gefahren, ergibt sich hieraus für die Frage der Eigentumsvermutung nichts. Das Gericht kann die Frage offen lassen, ob – wofür viel spricht – insoweit lediglich ein Schreibversehen (CZ anstatt CH) vorlag. Denn unabhängig davon lässt sich aus einem etwaigen Fehler der Polizei nichts für die Richtigkeit der klägerischen Angaben zum Erwerb der streitgegenständlichen Reifen ableiten. Auch erlaubt die Diskrepanz keinen Rückschluss auf Verständigungsprobleme zwischen dem Kläger und den Polizeibeamten, weil es sich um eine bloße Aktenunrichtigkeit handelt.
Nicht für die Eigentümerstellung des Klägers spricht darüber hinaus, dass die gegen den Kläger geführten Strafverfahren eingestellt wurden. Soweit das wegen besonders schweren Diebstahls geführte Verfahren vom Amtsgericht München nach § 153a StPO eingestellt wurde, gilt dies bereits deshalb, weil die Polizeibeamten das Strafverfahren nicht zulasten des Klägers bei der Würdigung der Eigentumsfrage verwertet hatten. Mit der Einstellung dieses Verfahrens ist also kein vorher bestehendes Indiz weggefallen. Die Einstellung des wegen Hehlerei geführten Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Passau gemäß § 170 Abs. 2 StPO ist ebenfalls ohne Belang, weil eine Anklage gemäß § 170 Abs. 1 StPO nur erhoben wird, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, also wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch (Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 170 Rn. 3). Für die Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB genügt demgegenüber bereits ein brauchbarer Grad an Gewissheit, der das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich macht als das eines Dritten. Dass die wesentlich strengeren, strafrechtlichen Beweiserfordernisse für die Anklageerhebung aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht erfüllt waren, schließt deshalb nicht aus, dass Indizien und Erfahrungssätze im Sinne des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen, aufgrund derer die Eigentumsvermutung widerlegt ist. Hinzu kommt, dass auch die Staatsanwaltschaft ausweislich ihrer Einstellungsverfügung davon ausgegangen ist, dass die sichergestellten Sachen aus einer rechtswidrigen Vortat stammen.
Das Gericht kann schließlich auch der Auffassung des Klägers nicht folgen, dass die Voraussetzungen der Sicherstellung zwischenzeitlich entfallen seien, weil sich bis dato keine Berechtigten gemeldet hätten. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14.1.2015 – M 7 K 13.3043 – (juris Rn. 38), wonach sich aus Zeitablauf und Nichtermittlung von Berechtigten ein Wegfall der Sicherstellungsvoraussetzungen ergeben kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat indes in seinem Beschluss vom 15.11.2016 (10 BV 15.1049 – juris Rn. 41-43) identische Überlegungen der betreffenden Kammer in einer parallelen Fallgestaltung zurückgewiesen und festgehalten, dass der bloße Zeitablauf für einen Wegfall der Sicherstellungsvoraussetzungen nicht genügt. Denn die oben dargestellten, gegen den Kläger sprechenden Indizien nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB werden durch die zwischenzeitlich verstrichene Zeit nicht in Frage gestellt. Dass etwa zweieinhalb Jahre vergangen sind, ohne dass Eigentümer oder rechtmäßige Besitzer der Reifen ermittelt werden konnten, rechtfertigt es nicht, den Kläger trotz fortbestehender gegenteiliger Indizienlage nach seiner bloßen Behauptung als Eigentümer anzusehen (BayVGH, B.v. 15.11.2016 – 10 BV 15.1049 – juris Rn. 41, hier sogar für den Zeitraum von fünf Jahren). Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Reifen überwiegend auf Felgen eines französischen Autoherstellers aufgezogen waren und auch angesichts des vom Kläger genannten Erwerbsorts nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Diebstahl bzw. die Hehlerei in Frankreich begangen wurden. Deshalb ist es durchaus denkbar, dass die Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer erst nach längerer Zeit ausfindig gemacht werden können. Solange aber die Eigentumsfrage – wie hier – nicht geklärt ist, liegen die Voraussetzungen der Herausgabe nach Art. 28 Abs. 1 PAG nicht vor (BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 10 CE 08.3393 – juris Rn. 16).
Bereits der dargestellte Sachverhalt – das Fehlen von Herkunftsnachweis und Kaufbeleg sowie die geschilderte Ankaufsituation – genügt nach Auffassung der Kammer für eine Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hinzu kommt noch, dass nach Überzeugung des Gerichts ein erheblicher Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert der Reifen und dem vom Kläger gezahlten Kaufpreis besteht. Ohne Erfolg wendet sein Verfahrensbevollmächtigter insoweit ein, die Polizei habe den tatsächlichen Wert der 16 Reifen erheblich höher eingeschätzt, als er tatsächlich sei; nur aufgrund dieser Fehleinschätzung sei sie zu einer Diskrepanz zwischen gezahltem Kaufpreis und tatsächlichem Wert gelangt. Dazu ist zum einen zu bemerken, dass der Kläger selbst den Streitwert, der sich nach seinem wirtschaftlichen Interesse an der Sache bemisst (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG)) in der Klageschrift mit 3.800,- EUR angegeben hat. Hierzu setzt er sich in Widerspruch, wenn er behauptet, der von der Polizei angenommene tatsächliche Wert von 3.700,-EUR sei zu hoch. Zum anderen hat der Beklagte vorgetragen, dass er eine Internetrecherche vorgenommen habe, um den Neuwert der betreffenden Reifen durch Eingabe von Felgen- und Reifenmarke sowie der Größe zu ermitteln. Unter Einbeziehung des Zustands sei auf dieser Grundlage sodann der reelle Wert geschätzt worden. Der Kläger hat mit seinem Vorbringen keine durchgreifenden Einwände gegen die Richtigkeit dieses Vorgehens geltend gemacht. Er hat im Gegenteil lediglich vorgetragen, dass vergleichbare Neuware ungebraucht bereits mit einem Rabatt von 30% gehandelt werde und die streitgegenständlichen, gebrauchten Reifensätze nur mit erheblichem Abschlag in Deutschland hätten verkauft werden können. Mit dieser Äußerung ist die Richtigkeit der behördlichen Berechnung allerdings nicht infrage gestellt, weil auch die Polizei unter Zugrundelegung des Zustands der Gegenstände einen Abschlag vom ermittelten Neupreis vorgenommen hat. Sie ist damit gerade der vom Klägerbevollmächtigten vorgeschlagenen Bewertungsmethode gefolgt. Dass der dabei vorgenommene Abschlag unzureichend war, hat der Kläger nicht behauptet. Es ist auch nicht davon auszugehen, weil er selbst den Streitwert mit 3.800,- EUR angegeben hat und damit letztlich auf einen tatsächlichen Wert abhebt, der noch über dem von der Polizei zugrunde gelegten liegt. Eines Sachverständigengutachtens zum Wert der Reifen bedarf es daher nicht.
Es bleibt angesichts dessen dabei, dass aufgrund der nicht nachgewiesene Herkunft der Gegenstände, des Fehlens eines Kaufbelegs und der geschilderten Ankaufsituation sowie wegen des Unterschieds zwischen bezahltem Preis und angenommenem Wert die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zulasten des Klägers widerlegt ist. Die Voraussetzungen der Sicherstellung sind deshalb nicht nachträglich entfallen.
2. Dem vom Kläger geltend gemachten Herausgabeanspruch steht auch Art. 28 Abs. 2 PAG entgegen, der regelt, an wen die sichergestellten Sachen herauszugeben sind. Der Kläger beruft sich insoweit auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14.1.2015 (M 7 K 13.3043 – juris Rn. 40), demzufolge Art. 28 Abs. 2 PAG die Herausgabe an einen Nichtberechtigten zulässt. Die Kammer vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 15.11.2016 (10 BV 15.1049 – juris Rn. 45, ebenso B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – juris Rn. 20) identische Überlegungen der betreffenden Kammer des Verwaltungsgerichts München in einer parallelen Fallgestaltung zurückgewiesen. Er hat stattdessen ausgesprochen, dass eine Herausgabe nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 PAG nur an den Berechtigten erfolgen darf und eine solche Berechtigung weder durch Zeitablauf noch dadurch eintritt, dass ein Eigentümer nicht zu ermitteln ist. Diese Forderung ergibt sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang zu Art. 28 Abs. 2 Satz 2 PAG, wonach die Herausgabe der Sachen – wenn sie nicht an den herausgegeben werden können, bei dem sie sichergestellt wurde – an denjenigen erfolgen kann, der eine Berechtigung daran glaubhaft macht. Daneben ist zu beachten, dass der Kläger in dem vom Verwaltungsgericht München entschiedenen Fall Eigentum an den fraglichen Gegenständen erwerben konnte, weil § 935 BGB – anders als vorliegend – dem Eigentumserwerb nicht entgegenstand.
Ist die Berechtigung des Petenten danach Voraussetzung eines Herausgabeanspruchs nach Art. 28 PAG, dann kann der Kläger die Herausgabe nicht verlangen. Denn er ist nach dem oben festgestellten Sachverhalt nicht als Eigentümer oder berechtigter Besitzer der Reifen anzusehen; die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ist widerlegt. Auch der Umstand, dass die Polizei bislang keinen Berechtigten für die streitgegenständlichen Reifen ermitteln konnte und dass dies (möglicherweise) endgültig nicht mehr möglich ist, macht den Kläger nicht zum Herausgabeberechtigten im Sinne des Art. 28 Abs. 2 PAG. Denn nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs steht einer Sicherstellung und deren Aufrechterhaltung nicht entgegen, dass ein Berechtigter (noch) nicht bekannt ist (B.v. 6.2.2014 – 10 CS 14.47 – NVwZ-RR 2014, 522/523; B.v. 19.11.2010 – 10 ZB 10.1707 – juris Rn. 15).
3. Das Herausgabeverlangen des Kläger stellt sich im Übrigen auch als rechtsmissbräuchlich dar. Die obergerichtliche Rechtsprechung hält dem Herausgabebegehren eines Klägers, dessen Stellung als Eigentümer oder berechtigter Besitzer der sichergestellten Gegenstände nicht nachgewiesen ist, den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Diesen Grundsatz verletzt, wer trotz fehlender nachgewiesener Berechtigung die Herausgabe sichergestellter Sachen mit der Begründung verlangt, dass ein Berechtigter bislang nicht ermittelt worden sei (BayVGH, U.v. 15.11.2016 – 10 BV 15.1049 – juris Rn. 48; OVG NW, B.v. 11.8.2010 – 5 A 298/09 – juris Rn. 45; OVG NW, B.v. 13.9.2016 – 5 A 667/16 – juris Rn. 46). Ein entsprechend treuwidriges Verhalten legt auch der Kläger an den Tag, wenn er – ohne die zum Nachweis seiner Berechtigung erforderlichen Angaben zu machen – die Herausgabe der Autoreifen mit dem Hinweis verlangt, dass die polizeilichen Anstrengungen nicht zur Ermittlung eines Berechtigten geführt hätten.
III.
Der Antrag des Klägers, den Verzug des Beklagten mit der Herausgabe festzustellen, ihn zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären, bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte schuldet dem Kläger nach dem oben Festgestellten nicht die Herausgabe der Autoreifen und konnte aus diesem Grund auch nicht mit der Herausgabe in Verzug sein. Entsprechend hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens neben dem Herausgabeanspruch. Auch §§ 154 ff. VwGO kommen für einen solchen Erstattungsanspruch nicht in Betracht, weil die gerichtliche Kostenentscheidung gemäß § 162 Abs. 1 VwGO in der Regel nur die Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung, nicht aber die Kosten des hier auf Herausgabe der Reifen gerichteten Ausgangsverfahrens erfasst (BVerwG, U.v. 17.2.2005 – 7 C 14/04 – NVwZ 2005, 691/693). Dies gilt auch in Ansehung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, wonach das Gericht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklären kann. Denn der Begriff des Vorverfahrens erfasst ausschließlich das Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 16). Ein solches wurde durch den Kläger und seinen Bevollmächtigten aber nicht betrieben.
Es bleibt aus diesem Grund bei dem Ausspruch, dass der Kläger als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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