Baurecht

Kein Eilrechtsschutz für Nachbarklage gegen Baugenehmigung mangels Rechtsschutzbedürfnisses bei Rohbaufertigstellung

Aktenzeichen  15 CS 21.2913

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 213
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag eines Baunachbarn nach § 80a Abs. 3 VwGO, § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung regelmäßig mit der Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Bauvorhabens, soweit sich dieser gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung der baulichen Anlage als solcher – also vom Baukörper selbst und nicht auch von dessen Nutzung – ausgehen.   (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen. Dem rechtsschutzsuchenden Dritten würde eine Einstellung der Bauarbeiten, die er infolge einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erreichen könnte, keinen rechtlichen Vorteil verschaffen, da die behauptete Rechtsverletzung mit der Fertigstellung des Rohbaus bereits eingetreten ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 S 21.1765 2021-11-11 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Nrn. I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. November 2021 (RO 7 S 21.1765) werden geändert und erhalten folgende Fassung:
I. Die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen den Bescheid vom 13. Juli 2021 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2021 wird hinsichtlich der beiden nördlichen Außentreppenanlagen sowie der gesamten nördlichen Außenmauer der Außenanlagen angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zu vier Fünftel, die Antragsgegnerin zu einem Fünftel. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.“
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zu vier Fünftel sowie die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu jeweils einem Zehntel. Die Antragsteller tragen ferner als Gesamtschuldner vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren; im Übrigen trägt die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beigeladene wendet sich als Bauherrin eines Vorhabens auf dem Baugrundstück (FlNr. …5 der Gemarkung H.) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. November 2021, mit dem auf Antrag der Antragsteller als Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks (FlNrn. …32 und …16) im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ihrer Drittanfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 13. Juli 2021 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2021 angeordnet wurde. Die benachbarten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „H. … …“ der Antragsgegnerin.
Mit Bescheid des Stadtbauamts vom 10. September 2020 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter Befreiung von diversen Festsetzungen des Bebauungsplans eine (erste, vorliegend nicht streitgegenständliche) Baugenehmigung für das auf dem Baugrundstück umzusetzende Vorhaben „Errichtung eines Mehrfamilienhauses (6 WE) mit Tiefgarage“. Hiergegen erhoben die Antragsteller am 24. September 2020 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 20.2337), über die nach vorliegender Aktenlage noch nicht entschieden wurde. Mit Beschluss vom 17. November 2020 ordnete das Verwaltungsgericht auf den Eilantrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung der Nachbarklage an (RO 7 S 20.2454).
Unter dem 13. Juli 2021 erließ die Antragsgegnerin auf Antrag einen weiteren Bescheid, mit dem das natürliche Gelände auf dem Baugrundstück festgesetzt und der Beigeladenen erneut unter Befreiungen von diversen Festsetzungen des Bebauungsplans eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Errichtung eines Mehrfamilienhauses (6 WE) mit Tiefgarage“ entsprechend den mit (neuem) Genehmigungsvermerk versehenen (geänderten) Bauvorlagen erteilt wurde.
Am 22. Juli 2021 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht (erneut) Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 13. Juli 2021 aufzuheben (Az. RO 7 K 21.1469); auch diese Klage ist weiterhin anhängig. Einen auf § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO gestützten Antrag der Beigeladenen auf Aufhebung bzw. Abänderung des Beschlusses vom 17. November 2020 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. August 2021 ab und stellte auf den Hilfsantrag der Beigeladenen hin fest, dass sich die mit Beschluss vom 17. November 2020 ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 10. September 2020 nicht auf den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2021 erstreckt (Az. RO 7 S 21.1429). Laut der Begründung des Beschlusses beinhalte der Bescheid vom 13. Juli 2021 keine bloße Nachtrags- oder Tekturgenehmigung, sondern genehmige ein „Aliud“, zumal die Beigeladene einen gänzlich neuen Bauantrag mit vollständig neuen Planunterlagen eingereicht habe.
Unter dem 10. September 2021 erließ die Antragsgegnerin einen Ergänzungsbescheid, mit dem der Beigeladenen eine beantragte Anpassung der nördlichen Außenanlagen genehmigt wurde. Auch gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 23. September 2021 Anfechtungsklage erhoben (Az. RO 7 K 21.1930), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2021 ließ die Beigeladene vortragen, dass der Rohbau des Bauvorhabens mit allen abstandsrelevanten und von den Antragstellern gerügten Bauteilen zwischenzeitlich endgültig errichtet worden sei. Unter dem 5. November 2021 bestätigte die Antragsgegnerin schriftsätzlich gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass die Rohbauarbeiten abgeschlossen seien und dass bereits mit der Dacheindeckung begonnen worden sei.
Mit Beschluss vom 11. November 2021 ordnete das Verwaltungsgericht auf Antrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den Bescheid vom 13. Juli 2021 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2021 an (Az. RO 7 S 21.1765). In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO sei trotz Fertigstellung des Rohbaus zu bejahen, da die Antragsteller ihr Begehren auch auf eine Rechtsverletzung durch die Nutzung des Daches des Gehilfen- und Fahrradabstellplatzes als Terrasse und Zugangsmöglichkeit stützten. Der Eilantrag sei ferner begründet, weil das Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung bzw. dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen aufgrund des voraussichtlichen Erfolgs der Klagen in der Hauptsache überwiege. Die Außentreppenanlage entlang der nördlichen Außenwand des Bauvorhabens verletze die Abstandsvorgaben gem. Art. 6 BayBO. Die Treppenanlage bestehe aus den Treppenstufen sowie der nördlich und südlich der Treppenstufen liegenden Absturzsicherung in Form einer Mauer, die über das Gelände hinaus, mithin oberirdisch, in Erscheinung trete. Jedenfalls auf Höhe des nordöstlichen Eckpunktes der Giebelwand weise die Absturzsicherung gem. Eingabeplan 2 (BI. 54 d. Behördenakte B-2021-10) eine Höhe von fast 2,5 m auf; es sei mit Blick auf die vom bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht geschützten Belange von einer gebäudegleichen Wirkung i.S. von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO auszugehen. Die Treppenanlage erfülle nicht die Voraussetzungen einer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung gem. Art. 6 Abs. 7 BayBO. Eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO) sei nicht erteilt worden.
Mit ihrer am 18. November 2021 beim Verwaltungsgericht erhobenen und am 14. Dezember 2021 gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof begründeten Beschwerde verfolgt die Beigeladene eine Korrektur des erstinstanzlichen Beschlusses vom 11. November 2021). Sie lässt vorbringen, der Eilantrag sei bereits aufgrund fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Nachdem der Rohbau hier im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung bereits fertig gestellt gewesen sei, sei das Rechtschutzbedürfnis der Antragsteller hinsichtlich der errichtungsbezogenen Einwendungen entfallen. Auch die Arbeiten an den Außenanlagen des Vorhabens seien im Rohbau fertig gestellt. Alle Treppen und Stützmauern seien bereits gesetzt. Einzig erforderlich sei noch ein Kies-/Splittbett, auf welches anschließend das Pflaster verlegt werden könne. Eine nutzungsbedingte Verletzung der Rechte der Antragsteller sei weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Auch das Verwaltungsgericht sei nicht von einer nutzungsbezogenen Verletzung der Rechte der Antragsteller ausgegangen, sondern habe seine gesamten Erwägungen in der Begründetheitsprüfung allein auf einer möglichen Verletzung der Abstandsflächen durch die nördliche Außentreppe des Bauvorhabens aufgebaut. Zudem sei der Eilantrag auch unbegründet, weil keine Verletzung drittschützender Rechte der Antragsteller gegeben sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Verletzung des Art. 6 BayBO gegenüber den Antragstellern angenommen. Die Außentreppe samt Absturzsicherung habe nach Maßgabe der genehmigten Bauvorlagen richtigerweise lediglich eine Höhe von 1,52 m über dem natürlichen Gelände. Bei der Höhe einer baulichen Anlage von unter 2 m spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich nicht um eine Anlage mit gebäudegleicher Wirkung handele. Eine Ausnahme hiervon sei nicht ersichtlich. Eine Verschattung des Antragstellergrundstücks sei ausgeschlossen, weil das Baugrundstück tiefer liege. Auch sonstige schützenswerte Belange der Antragsteller würden durch das genehmigte Bauvorhaben nicht beeinträchtigt. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die nördliche Außentreppe mit der Absturzsicherung gem. Art. 6 Abs. 7 Nr. 3 BayBO privilegiert. Da das Baugrundstück tiefer als das Antragstellergrundstück liege, sei es erforderlich gewesen, die Abböschung an der Grundstücksgrenze abzusichern. Da jedenfalls die Abstandsflächen des Hauptbaukörpers eingehalten seien, habe das Verwaltungsgericht zudem seine bestehende Befugnis zu einer bloßen teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung verkannt.
Die Beigeladene beantragt wörtlich:
„Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11.11.2021, Az. RO 7 S 21.1765, wird aufgehoben.“
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss vom 11. November 2021 unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Die Reichweite der Fertigstellung der Außenanlagen könne von ihnen nicht vollumfänglich geprüft werden. Nach den vorgelegten Lichtbildern, die den Zustand zum 19. November 2021 festhielten, fehle noch der Belag der zum Grundstück der Antragsteller hin ausgeführten Treppenanlage. Seitliche Stützen und Geländer seien noch nicht ausgeführt, sodass diese Treppenanlage noch nicht sicher begehbar sei. Die Treppenstufen seien seitlich an beiden Seiten nicht „angearbeitet“. Hangaufwärts sei die Treppenanlage „noch nicht an den rückwärtigen Bereich angebunden“. Nach unten zur Straße hin sei die Anbindung an den Stellplatz nicht ausgeführt. Die Befestigung des Bereichs zwischen der Treppenanlage und der nördlichen Hauswand sei im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Antragsteller noch nicht ausgeführt. Dort stehe – wie an den übrigen Seiten – noch das Gerüst.
Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2021 äußerte sich die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren zu Fragen des Senats hinsichtlich des Umsetzungsstands der Außenanlagen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, auf die weiteren vorgelegten Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts (Az. RO 7 K 20.2337, RO 7 S 20.20.2454, RO 7 S 21.1429, RO 7 K 21.1469, RO 7 K 21.1930 und RO 7 S 21.2293), auf die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichtshofs im parallel anhängigen (und mit Beschluss vom heutigen Tag ebenfalls entschiedenen) Verfahren 15 CS 21.3071 sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel ist der Beschwerdeantrag der Beigeladenen im Begründungsschriftsatz vom 14. Dezember 2021 gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass in der Sache beantragt wird, den von den Antragstellern gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Baugenehmigungsbescheide vom 13. Juli 2021 und 10. September 2021 unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. November 2021 im Ganzen abzulehnen.
2. Die so zu verstehende Beschwerde hat nach den von der Beigeladenen mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumenten (vgl. (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) teilweise Erfolg.
a) Die Beschwerde hat keinen Erfolg, soweit sie sich auch auf die beiden nördlichen Außentreppenanlagen sowie auf die gesamte nördliche Außenmauer der Außenanlagen bezieht. Insofern hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklagen der Antragsteller zu Recht angeordnet.
aa) Im Gegensatz zum Hauptgebäude, dessen Rohbau erstellt ist (s.u.), sind die nördlichen Treppenanlagen und die nördliche Außenmauer der Außenanlagen noch nicht vollständig im Rohbau fertiggestellt. Aus den von der Antragsgegnerin und den Beigeladenen vorgelegten Lichtbildern ergibt sich, dass insbesondere noch die nördliche Mauerbegrenzung („Absturzsicherung“) der Treppenanlage von der Ebene des Erdgeschosses in die Ebene des Kellergeschosses fehlt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, ob der jetzige Ausbauzustand der Mauerbegrenzung der gesamten Außenanlagen ein bloßes Zwischenstadium / Provisorium darstellt, weil aus den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen / Planzeichnungen nicht hinreichend konkret ersichtlich ist, welche genaue Höhe die Außenmauer haben soll [vgl. im Folgenden bb) ]. Vor diesem Hintergrund verbleibt für den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der gesamten Außenanlagen ein Rechtsschutzinteresse [anders in Bezug auf das Hauptgebäude, s.u. b) aa) ].
bb) Hinsichtlich der nördlichen Treppenanlage und der nördlichen Umgrenzungsmauer („Absturzsicherung“) der Außenanlagen ist der Eilantrag der Antragsteller begründet.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Nachbarn – wie hier die Antragsteller – können sich als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn sich diese auf die Verletzung einer Norm berufen, die – wie Art. 6 BayBO – gerade ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – BeckRS 2019, 17730 Rn. 15). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Nach Aktenlage wird die Anfechtungsklage hinsichtlich der nördlichen Außenanlagen voraussichtlich Erfolg haben, weil die von den Baugenehmigungsbescheiden vom 13. Juli 2021 und 10. September 2021 umfassten Bauvorlagen in Bezug auf die nachbarschützenden Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts (Art. 6 BayBO) unbestimmt sind.
Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Sie muss – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Wird in der Baugenehmigung auf den Antrag oder auf bestimmte Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die in Bezug genommenen Antragsunterlagen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft, wenn also wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ein Nachbar kann somit eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 28.6.1999 – 1 B 97.3174 – BeckRS 1999, 25978; B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – BeckRS 2015, 56220 Rn. 18; B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – BeckRS 2018, 10045 Rn. 13; B.v. 15.2.2019 – BeckRS 2019, 2300 Rn. 10; B.v. 9.4.2019 – 9 CS 18.2200 – BeckRS 2019, 7347 Rn 23; B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – BeckRS 2019, 17730; B.v. 30.3.2021 – 1 CS 20.2637 – BeckRS 2021, 7342 Rn. 13 ff.; B.v. 14.9.2021 – 15 ZB 21.463 – BeckRS 2021, 28459 Rn. 14; B.v. 6.12.2021 – 15 ZB 21.2360 – BeckRS 2021, 41338 Rn. 9; OVG NW, B.v. 29.9.1995 – NVwZ-RR 1996, 311 f.)
Letzteres ist hier hinsichtlich der Anforderungen der nachbarschützenden Vorgaben des Art. 6 BayBO in Richtung Norden – also in Richtung des Antragstellergrundstücks – der Fall (zur nachbarrechtlich relevanten Unbestimmtheit einer Baugenehmigung in Bezug auf das Abstandsflächenrecht vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 1 ZB 21.735 – BeckRS 2021, 20858; OVG NW, B.v. 29.9.1995 a.a.O.). Aus der Westansicht im Plan „EP 2“ (Bl. 54 der Genehmigungsakte B-2021-10 zur Baugenehmigung vom 13. Juli 2021) ergibt sich, dass die Oberkante der Außenmauer höher als das Niveau der Treppenstufen bzw. des begehbaren Bereichs auf Ebene des Erdgeschosses sein soll. Aus den mit Genehmigungsstempeln versehenen Bauvorlagen / Plänen ergibt sich aber nicht die genaue Bemaßung der Höhe der nördlichen Abgrenzungsmauer („Absturzsicherung“) der Treppen- und Außenanlagen. Die über kleine Dreieckszeichen platzierten Höhenangaben im Bereich der nördlichen Außenanlagen (vgl. Plan „EP 4“, Bl. 17 der Genehmigungsakte B-2021-440 zur Baugenehmigung vom 10. September 2021 sowie Plan „EP 1“, Bl. 54 der Genehmigungsakte B-2021-10 zur Baugenehmigung vom 13. Juli 2021) beziehen sich ersichtlich auf die begehbaren Flächen der Treppen- und Außenanlage südlich der nördlichen Umgrenzungsmauer, nicht aber auf die nördliche Umgrenzungsmauer selbst. In der – vom Ergänzungsbescheid vom 10. September 2021 nicht ausdrücklich korrigierten – Westansicht im Plan „EP 2“ zur Baugenehmigung vom 13. Juli 2021 – wird die Höhe der Außenmauer auf Ebene des Erdgeschosses mit etwa 0,5 cm (= etwa 50 cm im Maßstab 1:100) sowie auf Ebene des Obergeschosses mit etwa 1 cm (= 1 m im Maßstab 1:100) dargestellt, nicht hingegen der Verlauf und die Höhe der Außenmauer entlang der Treppen selbst. Aus der – nicht mit Genehmigungsstempel versehenen – schriftlichen Darstellung gem. Bl. 10 der Genehmigungsakte B-2021-440 zur Ergänzungsgenehmigung vom 10. September 2021 ergibt sich, dass die hier als „Absturzsicherung“ bezeichnete Außenmauer 90 cm höher als die mit -0,28 m angegebene Oberkante der begehbaren nördlichen Außenfläche auf Ebene des Erdgeschosses sein soll. Insofern ist auch aus der Nordansicht in der mit Genehmigungsstempel vom 10. September 2021 versehenen Bauvorlage „EP 4“ hinreichend ersichtlich, dass die Absturzsicherung auf Erdgeschossebene am Beginn der in die Kellergeschossebene führenden Treppenanlage auf einer Höhe von + 0,62 m (-28 m + 0.90 m) liegen und wie sie sich in die Erdgeschossebene fortsetzen soll. Es geht aber weder zeichnerisch noch schriftlich aus den mit Genehmigungsvermerk vom 10. September 2021 versehenen Bauvorlagen hinreichend konkret hervor, welchen exakten Höhenverlauf die nördliche Außenmauer („Absturzsicherung“) von der Ebene des Obergeschosses über die zur Erdgeschossebene führende Treppenanlage und die Erdgeschossebene bis hin zu der in der Nordansicht erst im Bereich der nach unten in die Kellergeschossebene führenden Treppenanlage zeichnerisch dargestellten Absturzsicherung haben soll. In der Nordansicht des „EP 4“ findet sich auf Obergeschossebene eine gestrichelte Linie mit der Angabe „+3,265 m“, die unter Berücksichtigung des im Grundriss angegebenen Werts für die Oberkante des Bodenbelags („+2,36 m“) – und insofern in Widerspruch zur Darstellung in der Westansicht im „EP 2“ (s.o.) – schließen lässt, dass hiermit die Höhe der Oberkante der Außenmauer / Absturzsicherung auf Ebene des Obergeschosses gemeint sein könnte, wohingegen die Beigeladene diesbezüglich über ihren Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren vortragen lässt, es handele sich um einen „offenkundigen Zahlendreher“ in ihrem eigenen Plan, weil auch diesbezüglich der Wert „+2,36 m“ gemeint sei. Jedenfalls fehlt es an einer exakten, nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und vor allen durchgehenden Darstellung des g e s a m t e n nördlichen (Höhen-) Verlaufs der Außenwand / Absturzsicherung. Da mithin die Höhe der Umgrenzungsmauer in den von den streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheiden umfassten Bauvorlagen nicht hinreichend durch die Baugenehmigungen begrenzt ist, ergibt sich hieraus eine für die Antragsteller als Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks nachbarrelevante Unbestimmtheit des Baugenehmigungsbescheids vom 13. Juli 2021 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2021 in Bezug auf die Einhaltung der Anforderungen des drittschützenden Art. 6 BayBO. Nach gegenwärtiger Aktenlage werden deshalb die Anfechtungsklagen hinsichtlich dieses Teils der Außenanlagen voraussichtlich Erfolg haben, sodass in der gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller insofern gegenüber dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen überwiegt.
b) Im Übrigen (und damit überwiegend) ist die zulässige Beschwerde der Beigeladenen begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. November 2021 war dementsprechend abzuändern und der Eilantrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung insofern abzulehnen.
aa) Soweit sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf das genehmigte Hauptgebäude erstreckt und die Antragsteller diesbezüglich errichtungsbezogene Einwendungen erheben, ist er bereits mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig.
Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung ist von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen. Es kann auch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens entfallen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist daher die Beschwerdeentscheidung durch den Senat; zwischenzeitlichen Veränderungen der prozessualen Lage kann z.B. durch eine Erledigterklärung Rechnung getragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – BeckRS 2015, 56161 Rn. 20; B.v. 5.11.2019 – 15 CS 19.1845 – BeckRS 2019, 27513 Rn. 9; B.v. 20.10.2021 – 1 CS 21.2195 – BeckRS 2021, 33591 Rn. 12).
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag eines Baunachbarn nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung regelmäßig mit der Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Bauvorhabens, soweit sich dieser gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung der baulichen Anlage als solcher – also vom Baukörper selbst und nicht auch von dessen Nutzung – ausgehen. Denn das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen. Dem rechtsschutzsuchenden Dritten würde eine Einstellung der Bauarbeiten, die er infolge einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erreichen könnte, keinen rechtlichen Vorteil verschaffen, da die behauptete Rechtsverletzung mit der Fertigstellung des Rohbaus bereits eingetreten ist und diese nicht mehr durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – verhindert werden kann. Die Inanspruchnahme stellt sich dann, soweit sich der Rechtsmittelführer gegen die Errichtung der baulichen Anlage als solche wendet, als unnütz dar (BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – BeckRS 2015, 56161 Rn. 18; B.v. 8.12.2017 – 1 CS 17.2159 – BeckRS 2017, 136820 Rn. 3 f.; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – BeckRS 2017, 138353 Rn. 3 f.; B.v. 5.11.2019 – 15 CS 19.1845 – BeckRS 2019, 27513 Rn. 14; B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – IBRRS 2020, 0951 m.w.N.; B.v. 20.10.2021 – 1 CS 21.2195 – BeckRS 2021, 33591 Rn. 11; B.v. 15.11.2021 – 9 CS 21.2292 – BeckRS 2021, 36766 Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.4.2018 – OVG 10 S 40.17 – NJ 2018, 253 f.; VGH BW, B.v. 27.8.2014 – 3 S 1400/14 – IBRRS 2019, 1297; OVG S-A, B.v. 21.12.2018 – 2 M 117/18 – BeckRS 2018, 35238 Rn. 9).
Die Fertigstellung des Rohbaus bedeutet, dass die tragenden Teile des Gebäudes einschließlich der Dachkonstruktion, die dem Gebäude die äußere Kontur geben, errichtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2021 – 15 CS 21.780 – BeckRS 2021, 9453 Rn. 12 m.w.N.). Dass der Bau schon so weit fortgeschritten ist, ergibt sich aus den in beiden gerichtlichen Instanzen vorgelegten Lichtbildern und dem Vorbringen der Beteiligten (vgl. erstinstanzliche Schriftsätze der Beteiligten vom 13. Oktober 2021, 27. Oktober 2021, 4. November 2021, 5. November 2021, Bl. 108 ff., 120 f., 127 ff., 135 ff. der VG-Akte RO 7 S 21.1765; Schriftsätze in der Beschwerdeinstanz vom 14. Dezember 2021, 20. Dezember 2021, 23. Dezember 2021, 29. Dezember 2021, Bl. 32 ff., 49 ff., 63 f., 65 ff. der Beschwerdeakte). Dass ein gewisser Teil der Außenanlagen noch zu errichten ist und auch nach den genehmigten Bauvorlagen noch eine Außentreppe im Anschluss an die südwestliche Außenwand des genehmigten Gebäudes (also an der dem Antragstellergrundstück abgewandten Seite) fehlt (vgl. den Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2021, Bl. 66 der Beschwerdeakte), spielt für die Beurteilung der Rohbaufertigstellung im o.g. Sinn keine Rolle.
Soweit die Antragsteller vorbringen, dass die Baugenehmigung
– unter rechtswidriger Befreiung bzw. Missachtung von Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung (Anzahl der Vollgeschosse), zur überbaubaren Grundstücksfläche (Baugrenzen), zu gestalterischen Vorgaben (Dachneigung, Dachfarbe), zur vorgeschriebenen Höhenlage und zur reglementierten Abstandsflächentiefe von mindestens 4 m,
– unter Missachtung der in der BauNVO 1968 vorgesehenen maximal zulässigen Geschossflächenzahl,
– unter Verletzung des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts (Art. 6 BayBO) sowie
– unter unbestimmter Darstellung der Höhenangaben
ergangen sei (vgl. die erstinstanzlichen Schriftsätze vom 3. und 23. September 2021 sowie den Schriftsatz vom 22. Juli im Klageverfahren RO 7 K 21.1469), handelt es sich um errichtungsbezogene (und gerade nicht um nutzungsbezogene) Einwendungen, die aus Sicht der Antragsteller eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund der Lage und des Maßes der baulichen Anlage begründen sollen und die den Baukörper und die von diesem ausgehenden Auswirkungen betreffen. Das gilt auch, sofern von den Einwendungen der Antragsteller die Rüge einer gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzenden erdrückenden bzw. abriegelnden Wirkung bzw. Verschattung umfasst sein sollte (hierzu vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – BayVBl 2020, 444 = juris Rn. 23 f.; B.v. 11.11.2021 – 9 ZB 21.2434 – BeckRS 2021, 36669 Rn. 9 f. m.w.N.). Allein der Umstand, dass sich die Antragsteller durch die Nutzung gestört fühlen, führt entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht dazu, dass im Eilverfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der errichtungsbezogenen Einwendungen in die Begründetheitsprüfung eingestiegen werden müsste; dies bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
bb) Sollte dem insofern eher vagen Vortrag der Antragsteller entnommen werden können, dass sie sich auch – insofern nutzungsbezogen – gegen Einblicke vom genehmigten Hauptgebäude auf ihr Anwesen wenden (jeweils im Zusammenhang mit der Argumentation, warum die Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen befreit bzw. abgewichen wurde, nachbarschützend seien, vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 3. September 2021 im erstinstanzlichen Verfahren RO 7 S 21.1765), wäre der Eilantrag insofern zwar zulässig (BayVGH, B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289; B.v. 8.12.2017 – 1 CS 17.2159 – BeckRS 2017, 136820 Rn. 6; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – BeckRS 2017, 138353 Rn. 7), er hat dann aber in der Sache keinen Erfolg: Nach der gem. § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführenden Abwägungsentscheidung überwiegt das Vollzugsinteresse der Beigeladenen insofern das Aussetzungsinteresse der Antragsteller, weil sich die Anfechtungsklagen nach Aktenlage voraussichtlich nicht gerade wegen zusätzlicher Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Antragsteller als begründet erweisen werden. Weder das Bauplanungsrecht im Allgemeinen noch das Gebot der Rücksichtnahme im Speziellen vermitteln einen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Auch neu geschaffene Einsichtsmöglichkeiten begründen nicht aus sich heraus eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich etwas Anderes ergeben. Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher situationsbedingter Ausnahmefall hier vorliegt, lassen sich dem Vorbringen der Antragsteller sowie der Aktenlage nicht entnehmen. Über die herkömmlichen Einsichtnahmemöglichkeiten in Innerortslagen hinausgehende Belastungen sind insoweit weder ersichtlich noch dargelegt, zumal – unabhängig von Möglichkeiten des Sichtschutzes (wie z.B. Vorhänge, Jalousien o.ä., vgl. BayVGH B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – BayVBl 2020, 444 = juris Rn. 20 m.w.N.; OVG NW, B.v. 17.12.2021 – 7 A 2480/20 – BeckRS 2021, 40247 Rn. 10) – das Wohngebäude der Antragsteller von der gemeinsamen Grenze ca. 15 m entfernt liegt, sodass insbesondere ein unmittelbarer Einblick aus kürzester Entfernung auf besonders schutzbedürftige Räumlichkeiten der Antragsteller (wie z.B. Schlafzimmer) als besondere Belastung ausscheidet (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – BeckRS 2018, 6994 Rn. 15 m.w.N.; B.v. 12.2.2020 a.a.O. m.w.N.; B.v. 16.3.2021 – 15 CS 21.544 – BeckRS 2021, 6088 Rn. 62; B.v. 11.11.2021 – 9 ZB 21.2434 – BeckRS 2021, 36669 Rn. 11). Sonstige nutzungsbezogene Verstöße gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot – etwa im Hinblick auf unzumutbare Immissionsbelastungen (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 1 CS 17.2159 – BeckRS 2017, 136820 Rn. 4 f.; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – BeckRS 2017, 138353 Rn. 5 f.) – sind weder von den Antragstellern vorgetragen worden noch kommen solche nach Aktenlage in Betracht.
cc) Hinsichtlich der östlich, südlich und westlich der Außenfassaden gelegenen Außenanlage ist der Eilantrag gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO unabhängig vom konkreten Umsetzungsstand jedenfalls unbegründet, weil sich insofern Abstandsflächen nicht auf das (nördlich des Baugrundstücks gelegene) Antragstellergrundstück erstrecken können und damit eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller diesbezüglich ausgeschlossen ist.
c) Wegen des unter a) festgestellten Rechtsverstoßes (abstandsflächenrechtliche und damit nachbarrechtlich relevante Unbestimmtheit der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich der befestigten nördlichen Außenanlagen) ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklagen teilweise anzuordnen. Die Anordnung kann hierauf beschränkt werden, weil die über § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO anwendbare Regelung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (wonach die Anordnung „ganz oder teilweise“ erfolgen darf) auch die Möglichkeit einer teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung ermöglicht und weil der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom 13. Juli 2021 in der Fassung des Bescheids vom 10. September 2021 insoweit – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 22. November 2021 (Az. RO 7 S 21.2293. BA Seite 5) – teilbar ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289; B.v. 7.7.2008 – 15 CS 08.1303 – BeckRS 2010, 53737 Rn. 9). Bei den insoweit betroffenen (nördlichen) Außenanlagen handelt es sich um konstruktiv abtrennbare Teile des Gesamtbauvorhabens. Das (im Rohbau fertiggestellte) Hauptgebäude kann in konstruktiver Hinsicht auch ohne die Fertigstellung des von der Anordnung betroffenen nördlichen Teils der Außenanlagen Bestand haben. Zudem ist die Erreichbarkeit der Wohnungen auch im nördlichen Bautrakt nicht von der Fertigstellung der nördlichen Außenanlagen abhängig. Denn nach den genehmigten Bauvorlagen zum Hauptgebäude ist jede Wohnung über das über den Eingang im Westen (Kellergeschoss) zugängliche Treppenhaus sowie der dort befindlichen Aufzugsanlage erreichbar. Soweit der Weg über die nördlichen Außenanlagen für bestimmte Wohnungen als zweiter Rettungsweg vorgesehen ist, steht dies der Teilbarkeit i.S. von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Denn brandschutzrechtliche Fragen – hier zum zweiten Rettungsweg und seiner sicheren Benutzbarkeit gem. Art. 31 ff. BayBO – zählen gem. Art. 59 Satz 1 BayBO nicht zum Prüfprogramm der hier im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergangenen Baugenehmigung und sind damit nicht von der Regelungs- (= Gestattungs- und Feststellungs-) Wirkung der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasst, zumal auch diesbezüglich keine Abweichungen beantragt worden sind (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO). Sollte im Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme kein sicher benutzbarer zweiter Rettungsweg über die nördlichen Außenanklagen bestehen, wäre die Beigeladene allerdings nicht aufgrund der bestehenden Genehmigungslage (gerade wegen der beschränkten Feststellungswirkung der Baugenehmigungsbescheide) vor einer auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützten Nutzungsuntersagung geschützt.
3. Die Kostenentscheidungen zu beiden Gerichtsinstanzen ergeben sich aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren werden – im Rahmen des Erfolgs der Beschwerde – für erstattungsfähig erklärt, weil diese (als Beschwerdeführerin) einen Antrag gestellt und sich damit dem Risiko ausgesetzt hat, selbst Kosten auferlegt zu bekommen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Demgegenüber hat die Beigeladene im erstinstanzlichen (Eil-) Verfahren keinen Sachantrag gestellt, sodass es insofern der Billigkeit entspricht, dass sie ihre dortigen außergerichtlichen Kosten vollständig selbst trägt (zu diesbezüglichen Einzelfragen vgl. auch BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636 – BeckRS 2021, 22525 Rn. 57). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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