Kosten- und Gebührenrecht

Streitwertbeschwerde – Baugenehmigungsverfahren für Zaun

Aktenzeichen  15 C 20.3044

Datum:
30.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38216
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 S. 2, § 66 Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung, bei der Ausübung des Ermessens hinsichtlich des Streitwerts auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013) – zurückzugreifen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Klage, mit der ein Bescheid über die Einstellung einer Baugenehmigung aufgehoben werden soll, läuft in der Sache auf das Interesse des Bauherrn hinaus, das Baugenehmigungsverfahren fortzusetzen und den Bauantrag (positiv) zu verbescheiden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 20.931 2020-11-23 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. In Abänderung von Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. November 2020 (Az. RN 6 K 20.931) wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf 1.000 Euro festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Kläger wandten sich mit einer beim Verwaltungsgericht Regensburg erhobenen Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts L … vom 28. April 2020, mit dem ein Baugenehmigungsverfahren zu ihrem Bauantrag für das Vorhaben „Neubau eines Zauns als Sichtschutz“ auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung H* … eingestellt wurde. Die Kläger trugen vor, sie hätten einer Einstellung des Baugenehmigungsverfahrens nur zugestimmt, wenn ein laufendes Bußgeldverfahren wegen ungenehmigter Errichtung des Zauns gegen sie eingestellt werde. Nachdem das Amtsgericht L* … das betreffende Bußgeldverfahren eingestellt hatte und die Parteien den Anfechtungsrechtsstreit hinsichtlich des Bescheids über die Einstellung des Baugenehmigungsverfahrens übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss der Berichterstatterin vom 23. November 2020 das verwaltungsgerichtliche Verfahren ein (I.), entschied, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen haben (II.), und setzte den Streitwert auf 5.000 Euro fest (III.). In den Gründen des Einstellungsbeschlusses wird ausgeführt, die Streitwertfestsetzung beruhe „auf § 52 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“.
Mit ihrer am 30. November 2020 erhobenen Beschwerde, der das Verwaltungsgericht gestützt auf § 52 Abs. 2 GKG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 15. Dezember 2020), beantragen die Kläger in der Sache,
den Streitwert auf 500 Euro festzusetzen.
Sie tragen vor, der wirtschaftliche Wert des Verfahrens habe sich an dem eingestellten Ordnungswidrigkeitenverfahren zu orientieren. Die diesbezüglichen Kosten hätten ca. 500 Euro ausgemacht.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2020 mitgeteilt, im Streitwertbeschwerdeverfahren von einer Stellungnahme abzusehen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bauakten des Beklagten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Die von den Klägern gem. § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG fristgerecht eingelegte Beschwerde, über die der Senat durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, weil auch die angefochtene Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts durch den Einzelrichter erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG), ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt: Bei dem vom Verwaltungsgericht angesetzten Streitwert von 5.000 Euro hätten die Kläger (da keine Einigung der Parteien über die Kostentragung vorlag und die Kläger keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hatten) gem. Nr. 5110 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG drei Gerichtsgebühren zu je 146 Euro (vgl. Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG), mithin 438 Euro zu zahlen. Bei der Festsetzung eines von den Klägern akzeptierten Streitwerts von 500 Euro ergäbe sich demgegenüber Gerichtsgebühr von lediglich 3 x 35 Euro = 105 Euro (Differenz: 333 Euro).
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das Verfahren zu hoch festgesetzt. Eine von den Klägern beantragte Streitwertherabsetzung auf 500 Euro ist hingegen nicht geboten.
Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts ist § 52 Abs. 1 GKG, wonach der Streitwert nach der sich aus dem Antrag eines Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist.
a) Dem Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2020 ist zuzustimmen, dass nicht auf die Kosten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen ist, weil es sich insofern nur um mittelbare Auswirkungen bzw. Folgewirkungen des auf die Aufhebung des Einstellungsbescheids des Landratsamts vom 28. April 2020 gerichteten Streitgegenstands des erstinstanzlichen Verfahrens handelt. Bei der Streitwertbemessung nach § 52 Abs. 1 GKG ist aber die Bedeutung für die Klägerseite zu berücksichtigen, wie sie aus dem Antrag selbst ersichtlich ist (BayVGH, B.v. 11.11.2020 – 9 C 20.1774 – juris Rn. 10 m.w.N.; Toissant in BeckOK KostR, GKG, Stand: 1.6.2020, § 52 Rn. 9).
b) Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung, bei der Ausübung des Ermessens auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013, abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) – zurückzugreifen (BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 15 C 20.478 – juris Rn. 10).
Der Streitwertkatalog sieht aber für den vorliegenden Streitgegenstand (Klage gegen einen Bescheid der Bauaufsichtsbehörde, mit dem ein Baugenehmigungsverfahren eingestellt wird) ausdrücklich keine Streitwertempfehlung vor. Dennoch ist es entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nicht geboten, in diesem Fall auf den Auffangwert von 5.000 Euro gem. § 52 Abs. 2 GKG abzustellen. Der Sach- und Streitstand bietet nämlich für die Bestimmung des Streitwerts i.S. von § 52 Abs. 1 GKG genügend Anhaltspunkte. Eine Klage, mit der ein Bescheid über die Einstellung einer Baugenehmigung aufgehoben werden soll, läuft in der Sache auf das Interesse des Bauherrn hinaus, das Baugenehmigungsverfahren fortzusetzen und den Bauantrag (positiv) zu verbescheiden. Das vorliegende Interesse der Kläger ist damit dem Interesse eines Bauherrn vergleichbar, der eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung (hier: für eine vergleichbare Zaunanlage) erhebt. Da ein Sondertatbestand gem. Nr. 9.1 des Streitwertkatalogs 2013 insofern nicht einschlägig ist, ist auf die Auffangregelung der Nr. 9.1.2.6 (entspr.) zurückzugreifen, wonach für „sonstige Anlagen“ ein Bruchteil der geschätzten Rohbaukosten zugrunde zu legen ist, sofern – wie vorliegend – nicht ersichtlich ist, dass eine (höhere) Bodenwertsteigerung eine abweichende Streitwertfestsetzung gebietet. Dem ist hier durch Ansatz von rd. einem Zehntel der in der Baubeschreibung vom 27. März 2019 mit 9.800 Euro angegebenen und vom Beklagten in der Höhe nicht infrage gestellten Baukosten Rechnung zu tragen (BayVGH, B.v. 15.12.2010 – 9 ZB 09.1779 – juris Rn. 13; B.v. 29.9.2014 – 9 ZB 11.1122 – juris Rn. 19; B.v. 11.11.2020 – 9 C 20.1774 – juris Rn. 8 m.w.N.). In Ausübung des in § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten gerichtlichen Ermessens erscheint damit in entsprechender Anwendung der Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs 2013 ein Streitwert von 1.000 Euro als geboten. Eine von den Klägern begehrte weitere Absenkung des Streitwerts auf 500 Euro kommt demgegenüber nicht in Betracht, s.o. a).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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