Medizinrecht

Behandlung eines Glioblastoms mit einer immunologischen Kombinationstherapie

Aktenzeichen  L 20 KR 502/17

Datum:
16.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14791
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 13 Abs. 3
SGB V § 2 Abs. 1a

 

Leitsatz

1. Auch eine Unaufschiebbarkeit i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V entbindet den Versicherten grundsätzlich – von Fällen mit ganz besonderer Eilbedürftigkeit abgesehen – nicht von seiner Obliegenheit, der Krankenkasse vor Inanspruchnahme der begehrten Leistung die Möglichkeit zur Prüfung und Erbringung im Wege der Sachleistung dadurch zu eröffnen, dass er die Krankenkasse über die beabsichtigte Inanspruchnahme der begehrten Therapie informiert. Anderenfalls entfällt die Kausalität zwischen Systemmangel und Selbstbeschaffung.
2. Die für die Gewährung einer Behandlung, die nicht im standardmäßigen Leistungskatalog der GKV enthalten ist, in grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungskatalogs der GKV bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V notwendige Voraussetzung der indiziengestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf darf nicht überspannt werden. Umso schwerwiegender die Erkrankung und umso hoffnungsloser die Situation ist, desto geringere Anforderungen sind an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht.
3. Bei der Prüfung des Vorliegens der auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist eine ex-ante-Betrachtung mit Blick auf die voraussichtlichen Erfolgschancen der Behandlung durchzuführen; eine rückblickende Beurteilung verbietet sich. Der konkrete Erfolg einer Behandlung ist daher kein maßgeblicher Gesichtspunkt.
4. Eine nach dem Ansatz des behandelnden Arztes aus mehreren Therapiemaßnahmen bestehende und abgestimmte Kombinationstherapie muss auch einheitlich bewertet werden. Aus Indizien für eine Wirksamkeit einer Teilmaßnahme lassen sich keine Indizien für eine Wirksamkeit der Kombinationstherapie ableiten.
5. Zur Behandlung eines Glioblastoma multiforme mit einer Immuntherapie mit onkolytischen Viren, kombinierter Hyperthermie (aktiv und passiv), dendritischen Zellen, Artesunaten sowie Thymus-Präparaten.

Verfahrensgang

S 7 KR 519/13 2017-06-29 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.06.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung der von ihm geltend gemachten (und bis zur Klageerhebung, spätestens bis zum 19.12.2013) entstandenen Kosten durch eine vom Arzt T. durchgeführte Immuntherapie in Höhe von 44.029,54 € hat.
Bei der Bestimmung des Streitgegenstands sind folgende Grundsätze zu beachten:
Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, d.h. Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 28.3.2013, B 4 AS 12/12 R – m.w.N.). Hiervon ausgehend wird der Streitgegenstand durch den objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und das im Prozess geltend gemachte Begehren bestimmt. Der Streitgegenstand ist also die Schnittmenge von bescheidsmäßig getroffenen Regelungen einerseits und dem prozessualen Begehren eines Klägers andererseits.
Maßstab der Auslegung eines angefochtenen Bescheids ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010, B 9 V 2/10 R).
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen genauso wie von Anträgen ist ebenfalls der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
Der für den Kläger mit Schreiben des behandelnden Arztes T. vom 13.05.2013 gestellte Antrag auf „Kostenerstattung der Immuntherapie eines Glioblastoma multiforme mit onkolytischen Viren, kombinierter Hyperthermie (aktiv + passiv), dendritischen Zellen, Artesunaten (bei hoher Transferrinrezeptor-Dichte) sowie Thymus-Präparaten zur Immunmodulation“ (S. 1 des Schreibens vom 13.05.2013) ist – im wohlverstandenen Interesse des Klägers – dahingehend auszulegen, dass der Kläger damit zum einen eine Kostenerstattung für bereits durchgeführte und zum anderen eine Kostenübernahme für noch anstehende Therapiemaßnahmen einer Immuntherapie wegen des Glioblastoma multiforme durch den Arzt T. begehrt; dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Schreiben vom 13.05.2013, in dem der für den Kläger den Antrag stellende behandelnde Arzt T. das Therapiekonzept vorgestellt und sowohl schon durchgeführte als auch bereits begonnene und damit zumindest zum Teil in der Zukunft liegende Maßnahmen aufgelistet hat.
Den vom behandelnden Arzt als Antrag auf „Kostenerstattung der Immuntherapie“ formulierten Antrag auf eine bloße Kostenerstattung im engen rechtlichen Sinn hinsichtlich bereits bis zur Antragstellung durchgeführter, also bereits abgeschlossener Behandlungsmaßnahmen zu beschränken, würde zu weit gehen und der laienhaften Verwendung des Wortes „Kostenerstattung“ nicht gerecht.
Dass die durchgeführten/durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen durch den Arzt T. zu erbringen waren/sind, ergibt sich zum einen aus dem Antrag des Arztes T. vom 13.05.2013, in dem dieser sein Therapiekonzept vorstellt und damit den zwingenden Schluss nahelegt, dass die Maßnahmen auch von ihm selbst durchgeführt würden, zum anderen aus dem beigelegten „Kostenvoranschlag“, der die Kosten aller Therapiebestandteile auflistet, und schließlich aus dem im Zusammenhang mit dem Widerspruch des Klägers vorgelegten Schreiben des Arztes T. vom 21.06.2013, in dem sich dieser zum Gutachten des MDK äußert und ergänzende Erläuterungen zu seinem „immuntherapeutischen Gesamtkonzept“ (S. 7 dieses Schreibens, ebenso S. 5 des Schreibens vom 13.05.2013) gibt; beide Schreiben vermitteln den Eindruck, dass die beantragte Immuntherapie in Gänze durch den Arzt T. durchgeführt wird. Hinweise darauf, dass vom Antrag auch andere Behandlungsmethoden oder Behandlungen durch andere Ärzte als den antragstellenden Arzt T. umfasst sein sollten, gibt es nicht. Insbesondere hat auch der Bevollmächtigte des Klägers auf die auf Klarstellung gerichtete Nachfrage der Beklagten im Widerspruchsverfahren nichts mitgeteilt, was Zweifel an der oben dargestellten Auslegung des Antrags wecken könnte.
Mit Bescheid vom 11.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2013 hat es der Beklagte abgelehnt, die Kosten für die im Antrag vom 13.05.2013 näher beschriebene und durch den Arzt T. durchgeführte/durchzuführende Immuntherapie zu erstatten bzw. zu übernehmen.
Im Rahmen des Klageverfahrens (bestätigt auch im Berufungsverfahren) hat der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 44.029,54 € geltend gemacht, wobei es sich dabei nur um solche Kosten handeln kann, die bis zur Klageerhebung, spätestens aber bis zum 19.12.2013, dem Datum des klägerischen Schriftsatzes mit der konkret bezifferten Antragstellung, entstanden sind (vgl. den im Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 19.12.2013 unter Ziff. 2. gestellten Antrag: „Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschaffte immunbiologische Therapie entstandenen Kosten in Höhe von 44.209,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.“). Weder ist damals ein Antrag auf Übernahme der noch in der Zukunft entstehenden Kosten gestellt worden noch ist irgendwann im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens eine Umformulierung dahingehend erfolgt, dass auch noch später entstehende Kosten vom klägerischen Begehren umfasst sein sollten. Damit ergibt eine Auslegung des klägerischen Vorbringens zweifelsfrei, dass mit dem Kostenerstattungsantrag lediglich solche Kosten umfasst sind, die bis zur Klageerhebung, spätestens aber bis zum 19.12.2013, durch die beantragte Therapie entstanden sind. Mit der Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt entstandene Kosten dem Kläger zu erstatten sind, hat sich der Senat daher nicht zu befassen.
Gegenstand des Verfahrens ist somit die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der von ihm selbst bis zur Erhebung der Klage, spätestens bis zum 19.12.2013, aufgewandten Kosten für eine immuntherapeutische Behandlung wegen seines Glioblastoma multiforme durch den Arzt T. hat, wobei er die Klageforderung mit 44.029,54 € beziffert hat.
2. Kein Anspruch wegen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V
Ein Anspruch wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V besteht nicht.
Ein Antrag auf Kostenerstattung im rechtlichen Sinn ist schon per se nicht geeignet, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V herbeizuführen. Ansprüche gegen eine Krankenkasse, die – wie sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche – unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V (vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, und vom 06.11.2018, B 1 KR 13/17 R).
Sofern der Antrag vom 13.05.2013 die Übernahme (noch) durch die Immuntherapie entstehender Kosten, also einen Sachleistungsanspruch im Sinne eines in die Zukunft gerichteten Kostenübernahmeanspruchs, betrifft, ist auch insofern keine Genehmigungsfiktion eingetreten. Ein Sachleistungsanspruch wegen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V bzw. ein sich daraus ergebender Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V scheitert schon daran, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Antrag vom 13.05.2013 bereits deutlich vor Antragstellung mit der beantragten Therapie, die als einheitliche Behandlungsmaßnahme zu betrachten ist – der Arzt T. hat die beim Kläger angewandte Therapie wiederholt explizit als „immuntherapeutisches Gesamtkonzept“ bezeichnet (S. 5 seines Schreibens vom 13.05.2013, S. 7 seiner Stellungnahme vom 21.06.2013) -, begonnen hat (erste Gabe der dendritischen Zellen ab dem 28.08.2012 – Antragstellung mit Eingang des Schreibens des Arztes T. vom 13.05.2013 bei der Beklagten am 16.05.2013). Eine Aufteilung dieser im Sinne eines aufeinander abgestimmten Gesamtkonzepts durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen in einzelne Behandlungsschritte, die dann abhängig vom Zeitpunkt ihrer Durchführung der Genehmigungsfiktion zugänglich wären, verbietet sich wegen der einheitlichen Betrachtungsweise der Behandlungsmaßnahme (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95).
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass eine Erstattung von Kosten für eine Behandlung durch Dr. G., nicht durch den Arzt T., auch daran scheitern würde, dass in dem Antrag vom 13.05.2013 kein fiktionsfähiger Antrag hinsichtlich einer Behandlung durch Dr. G. gesehen werden kann; dafür, dass eine Behandlung durch Dr. G. erfolgen sollte, gibt es im Antrag keinerlei Hinweise (vgl. oben Ziff. 1.).
3. Kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert bis auf einen Betrag in Höhe von 5.048,31 € (maximal 5,452,47 €) schon daran, dass der Kläger in Höhe des Differenzbetrags zur Klageforderung in Höhe von insgesamt 44.029,54 € keine rechtlich wirksame Kostenlast nachgewiesen hat (vgl. unten Ziff. 3.2.). Bezüglich des Betrags von 5.048,31 € (maximal 5,452,47 €) scheitert der Kostenerstattungsanspruch daran, dass es an der Kausalität zwischen Leistungsmangel (nicht rechtzeitige Leistungserbringung bzw. Ablehnung durch die Beklagte) und Kostenlast des Klägers fehlt, da der Kläger die Beklagte nicht mit seinem Leistungsbegehren auf eine Immuntherapie befasst hat, bevor er diese Behandlung beim Arzt T. begonnen hat (vgl. unten Ziff. 3.3.). Im Übrigen hätte der Kläger zur Behandlung seines Glioblastoma multiforme auch keinen Sachleistungsanspruch auf eine Immuntherapie in der im Antrag vom 13.05.2013 beschriebenen Ausgestaltung gehabt (vgl. unten Ziff. 3.4.), was einem Kostenerstattungsanspruch entgegen steht.
3.1. Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs – allgemein
Die Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch, wie er hier geltend gemacht wird, kann nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sein. Dieser lautet: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.“ Diese Regelung sieht also in Ergänzung des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung, wie es in § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V verankert ist, eine ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen muss, weil ihm die Sachleistung entweder von der Krankenkasse zu Unrecht verweigert oder wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 11.10.1994, 1 RK 26/92, und vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kann deshalb nicht weiter reichen als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten. Voraussetzung ist daher, dass die selbst beschaffte Leistung nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.1995, 1 RK 8/94) ihrer Art nach oder allgemein von der Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen ist.
Der Gesetzgeber hat für den Kostenerstattungsanspruch zwei Alternativen geregelt, zum einen den Fall einer rechtswidrigen Leistungsablehnung, zum anderen den einer unaufschiebbaren Leistung.
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) ist neben der rechtswidrigen Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ein Ursachenzusammenhang (Kausalität) zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kosten. Dieser Ursachenzusammenhang ist zu verneinen, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R), oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen gewesen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse seinen Antrag ablehnen sollte (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).
Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens – etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen in der Vergangenheit – von vornherein feststeht. Den Einwand eines vermeintlichen „Formalismus“, wie er früher vom BSG noch vertreten worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.1993, 1 RK 37/92), hat das BSG ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R). Damit wird die grundsätzliche Beachtung des Sachleistungsprinzips dadurch abgesichert, dass eine Kostenerstattung nur dann erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14), aber auch deshalb, weil sie ihn vor der Behandlung mit untauglichen Methoden schützen kann.
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) ist, „dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der KK abzuwarten“ (BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2012, B 1 KR 17/11 R).
Soweit das BSG früher dazu formuliert hat, dass der Kostenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung nur dann begründet werden könne, wenn es dem Versicherten nicht möglich oder zumutbar gewesen sei, vor der Beschaffung die Krankenkasse „einzuschalten“ (BSG, Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R), hat das BSG diese Ansicht mit Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, als zu eng und wegen einer Vernachlässigung der Normstruktur des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V aufgegeben und dies damit begründet, dass die Alternative zur rechtswidrigen Ablehnung des Antrags (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V) gerade darin bestehe, um Eilsituationen aufgrund der Unaufschiebbarkeit Rechnung zu tragen, bei denen der Versicherte „die Entscheidung“ der Krankenkasse nicht mehr abwarten könne. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V betreffe „auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der KK stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte“ (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).
Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R). Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellt, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R). Auch bei Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinn des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V ist aber notwendig, dass die selbst beschaffte Leistung zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu gewährenden Leistungen, also zu ihrem Leistungskatalog, gehört (vgl. BSG; Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).
Zu beachten ist aber in diesem Zusammenhang, dass auch der Gesichtspunkt der Unaufschiebbarkeit den Versicherten grundsätzlich nicht von seiner Obliegenheit entbindet, der Krankenkasse vor Inanspruchnahme der begehrten Leistung die Möglichkeit zur Prüfung und Erbringung im Wege der Sachleistung dadurch zu eröffnen, dass er die Krankenkasse über die beabsichtigte Inanspruchnahme der begehrten Therapie informiert. Der Grund dafür liegt darin, dass mit der Selbstbeschaffung einer Leistung Gesundheitsgefahren verbunden sein und Behandlungsalternativen übersehen werden können, zumal die Einhaltung des Sachleistungsprinzips zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen nicht nur im Interesse des betroffenen Antragstellers, sondern auch grundsätzlich im Interesse der Versichertengemeinschaft liegt (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R). Erfolgt eine derartige Information der Krankenkasse nicht, fehlt es grundsätzlich an der Kausalität zwischen Systemmangel (in Form einer nicht rechtzeitigen Leistungserbringung) und der Selbstbeschaffung durch den Versicherten, da dann der Krankenkasse wegen – vom Versicherten zu vertretender – Unkenntnis einer bestehenden Behandlungsnotwendigkeit die Möglichkeit einer rechtzeitigen Leistungserbringung überhaupt nicht eröffnet war; der Grund für die nicht rechtzeitige Leistungserbringung durch die Krankenkasse liegt dann darin, dass die Krankenkasse wegen der fehlenden Information durch den Versicherten die Erforderlichkeit einer Behandlung nicht kennen konnte und aus diesem Grund die Behandlung nicht erbringen konnte, nicht in einem Systemmangel. Lediglich in Fällen mit ganz besonderer Eilbedürftigkeit, die noch keinen medizinischen Notfall darstellen, ist eine vorherige Information der Krankenkasse durch den Versicherten verzichtbar und lässt die Kausalität zwischen Systemmangel und Selbstbeschaffung nicht entfallen, da anderenfalls der Versicherte in einer solchen Konstellation schutzlos gestellt wäre. Das BSG hat derartige Fälle mit ganz besonderer Eilbedürftigkeit, in denen eine vorherige Information der Krankenkasse durch den Versicherten nicht mehr verlangt werden kann, im Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R, wie folgt beschrieben:
„Lediglich dann, wenn aus medizinischen Gründen eine so hohe Eilbedürftigkeit bestanden hat, dass selbst eine Information der Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung nicht mehr zumutbar gewesen ist, steht also eine unterlassene vorherige Befassung der Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen. Anderenfalls scheitert ein Erstattungsanspruch an der fehlenden Kausalität zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand, nämlich einem Mangel im Leistungssystem der Krankenversicherung dahingehend, dass eine Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist, und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast).“
3.2. Potenziell erstattungsfähige Kosten
Von der geltend gemachten Klageforderung in Höhe von insgesamt 44.029,54 € ist nur ein Betrag in Höhe von 5.048,31 €, bzw. bei für den Kläger äußerst wohlwollender Betrachtungsweise maximal 5,452,47 €, dafür geeignet, im Rahmen des streitgegenständlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend gemacht zu werden.
Die von den Bevollmächtigten des Klägers zur Begründung der Klageforderung ins Verfahren eingeführten ärztlichen Rechnungen (nach der Gebührenordnung für Ärzte) (Anlagen K 03 bis K 12 zum Schriftsatz vom 19.12.2013 und Anlagen zum Schriftsatz vom 21.12.2018) betreffen nur in einer Höhe von 5.048,31 €, allenfalls bei sehr großzügiger Auslegung in Höhe von 5,452,47 €, Behandlungskosten, wie sie vom streitgegenständlichen Antrag auf eine Immuntherapie durch den Arzt T. abgedeckt sind. Im Übrigen betreffen die geltend gemachten Behandlungskosten Behandlungen durch einen anderen Arzt und sind schon deshalb nicht vom streitgegenständlichen Antrag und dem Bescheid der Beklagten umfasst. Dies begründet sich wie folgt:
„* Die in den Anlagen K 03 bis K 12 zum Schriftsatz vom 19.12.2013 vorgelegten ärztlichen Rechnungen stellen allesamt Rechnungen des Dr. G. für von diesem durchgeführte Behandlungen dar. Die von diesem Arzt durchgeführten Behandlungen sind aber nicht vom Antrag des Klägers vom 13.05.2013 erfasst. Der Antrag vom 13.05.2013 umfasst, wie seine Auslegung ergibt (vgl. oben Ziff. 1.), ausschließlich Behandlungen, die der Arzt T. im Rahmen der von ihm durchgeführten/durchzuführenden immuntherapeutischen Behandlung bei Antragstellung bereits erbracht oder damals noch zu erbringen beabsichtigt hat. Kosten für Behandlungen, die nicht vom Antrag und dem streitgegenständlichen Bescheid umfasst sind, können im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs auch nicht als rechtlich relevante Kostenlast des Klägers Berücksichtigung finden.“
* Die Rechnung des Arztes T. vom 24.05.2013 (über einen Betrag von 241,18 €) ist für eine homöopathische Anamnese und Akupunktur ausgestellt worden, also Behandlungsmaßnahmen, die nicht vom streitgegenständlichen Antrag auf eine Immuntherapie eines Glioblastoma multiforme umfasst sind. Eine Berücksichtigung als rechtlich relevante Kostenlast im Zusammenhang mit den geltend gemachten Kosten einer Immuntherapie kommt daher nicht infrage.
Aber selbst dann, wenn bei für den Kläger äußerst großzügiger Auslegung auch diese Kosten für im weitesten Sinne begleitende Maßnahmen zur Immuntherapie berücksichtigungsfähig wären, würde eine Erstattung aus anderen Gründen scheitern (vgl. dazu unten Ziff. 3.3. und 3.4.).
* Gleiches gilt für die Rechnung des Arztes T. vom 19.09.2013, in dem wiederum Maßnahmen der Akupunktur und einer homöopathischen Anamnese (in Höhe von insgesamt 162,98 €) abgerechnet worden sind.
* Die Rechnung des Arztes T. vom 05.08.2013 hingegen umfasst zweifelsfrei Kosten für Teilmaßnahmen der streitgegenständlichen Immuntherapie, nämlich eine Behandlung mit onkolytischen Viren am 18.07.2013 für 4.500,- € und eine Behandlung mit Thymusextrakt am 25.07.2013 in Höhe von 548,38 €.
Damit sind Kosten mit einem Gesamtbetrag von 5.048,31 € (maximal 5,452,47 € bei Berücksichtigung von Akupunktur und homöopathischer Anamnese) als rechtlich wirksame Kostenlast des Klägers im Zusammenhang mit der Immuntherapie nachgewiesen. Dass der Kläger im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens die Rechnungen für Behandlungen des Arztes T. noch nicht vorgelegt hatte und daher das SG zum damaligen Zeitpunkt durchaus auch davon hätte ausgehen dürfen, dass ein Kostenerstattungsanspruch bereits umfassend an einer nicht nachgewiesenen Kostenlast des Klägers scheitere, steht einer Berücksichtigung im Berufungsverfahren als weiterer Tatsacheninstanz nicht entgegen. Zwar sind die Rechnungen des Arztes T. erst nach der mit gerichtlichem Schreiben vom 23.10.2018 gesetzten Frist, die mit einem Hinweis auf die Folgen des § 106a SGG verbunden war, vorgelegt worden, eine Zulassung dieser Rechnung als Beweismittel verzögert aber nicht die Erledigung des Rechtsstreits im Sinne des § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGG.
3.3. Kausalität
Vorliegend ist eine Kausalität zwischen dem Leistungsmangel (nicht rechtzeitige Leistungserbringung bzw. Ablehnung des Antrags) und der Kostenlast des Klägers nicht nachgewiesen.
Der Kläger hat über acht Monate seit Beginn der Behandlung mit der Immuntherapie durch den Arzt T. – diese Therapie hat nach den Angaben im Antrag vom 13.05.2013 mit der ersten Gabe dendritischer Zellen am 28.08.2012 begonnen – verstreichen lassen, bevor er die Beklagte erstmals mit seinem Leistungsbegehren konfrontiert hat. Die Angaben im Antrag vom 13.05.2013 deuten – worauf es nicht weiter ankommt – im Übrigen darauf hin, dass sich der Kläger schon viel früher – nämlich im Mai 2012 mit der angegebenen Therapie einer Parapox-Virus-Therapie und im Juni 2012 mit der Anfrage am 20.06.2012 beim Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen H-Stadt wegen der Teilnahme an einer Parvo-H1-Studie – um eine alternative (Immun-)Therapie bemüht hat. Gleichwohl hat er der Beklagten zu keinem Zeitpunkt seine Absicht einer immuntherapeutischen Behandlung beim Arzt T. angezeigt und ihr keine Möglichkeit gegeben, sich mit diesem Begehren zu befassen und den Kläger zu beraten. Es liegen auch keinerlei Hinweise darauf vor, dass nach der Operation zur Entfernung des Rezidivs am 26.06.2012 plötzlich ein so hoher Zeitdruck entstanden wäre, dass es dem Kläger nicht einmal mehr möglich gewesen wäre, der Beklagten die beabsichtigte Therapie bei dem Arzt T. vor Therapiebeginn anzuzeigen, zumal sich der Kläger bereits unmittelbar nach der mittels MRT erfolgten Diagnose eines Rezidivs am 16.05.2012 und noch vor dessen operativer Entfernung mit der Frage der Anwendung alternativer Behandlungsmethoden beschäftigt hat (vgl. oben). Dass angesichts dieser Umstände, insbesondere des Abstands von zwei Monaten zwischen Rezidivoperation und Behandlungsbeginn beim Arzt T., dem Kläger eine Information der Beklagten über die beim Arzt T. beabsichtigte Behandlung nicht möglich gewesen wäre, ist daher nicht (in dem dafür erforderlichen Vollbeweis) nachgewiesen. Vielmehr hatte sich der Kläger nach der Überzeugung des Senats von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung, nämlich eine Immuntherapie, durch einen bestimmten Leistungserbringer, nämlich den Arzt T., festgelegt und war fest entschlossen, sich die Leistung unabhängig davon zu beschaffen, ob die Krankenkasse seinem Leistungsbegehren nachgeben würde oder nicht.
3.4. Kein Anspruch auf die beantragte Immuntherapie
Unabhängig von den bereits oben aufgezeigten, einem Kostenerstattungsanspruch entgegen stehenden Gesichtspunkten besteht ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, der nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 SGB V) und daher voraussetzt, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R), auch deshalb nicht, weil die Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs bezüglich der streitgegenständlichen Immuntherapie durch den Arzt T., wie sie im Antrag vom 13.05.2013 dargestellt ist, nicht gegeben waren.
Wie das SG zutreffend in der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat insofern gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist, ausgeführt hat, könnte die streitgegenständliche Immuntherapie zur Behandlung des Glioblastoma multiforme als ambulante ärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung allenfalls nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach dem seit 01.01.2012 geltenden § 2 Abs. 1 a SGB V erbracht werden. Dafür müssen folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
* Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor,
* bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und
* es besteht für die begehrte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Vorliegend scheitert ein Sachleistungsanspruch jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung.
3.4.1. Lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung
Der Senat geht davon aus, dass beim Kläger eine derartige Erkrankung vorliegt (vgl. zum Begriff der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auch BSG, Urteil vom 20.03.2018, B 1 KR 4/17 R).
Eine Gefährdungslage in diesem Sinne liegt erst in einer notstandsähnlichen Situation vor, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt ist daher das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist damit auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist daher, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, d.h. in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen muss (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 26.03.2014, 1 BvR 2415/13, und vom 10.11.2015, 1 BvR 2056/12). Das BVerfG hat es dabei ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich „erst“ in einigen Jahren zum Tod führt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, und vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06).
Mit Blick auf diese Vorgaben und die unbestrittenermaßen schlechte Zukunftsprognose und durchschnittliche Überlebenszeit bei einem Glioblastoma multiforme, insbesondere nach einem Rezidiv, wie es beim Kläger aufgetreten ist, die in einer mittleren Überlebenszeit von neun Monaten und der Quote für ein Dreijahresüberleben von nur etwas mehr als 5% zum Ausdruck kommen (so jedenfalls die vom Gutachter T. vorgelegte SEER-Datei aus den Zeiträumen 1988 – 2001), ist von einer lebensbedrohlichen Erkrankung auszugehen.
Wenn die Beklagte dies mit dem Argument infrage stellt, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung der Kläger bereits seit längerer Zeit (operative Entfernung des Rezidivs am 26.06.2012; Antragstellung am 13.05.2013) keine maligne Erkrankung mehr aufgetreten sei und damit nicht mehr von einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung ausgegangen werden könne, verkennt sie schon, dass die vom Kläger geltend gemachte Immuntherapie nach den Angaben im Antrag vom 13.05.2013 bereits am 28.08.2012 und damit nur rund zwei Monate nach der Operation begonnen worden ist. Dass zeitnah nach der (erfolgreichen) operativen Entfernung eines Rezidivs bei einem Glioblastoma multiforme ein weitergehender Behandlungsbedarf besteht, dürfte unstreitig sein und auch von der Beklagten nicht ernsthaft bestritten werden. So haben die den Kläger zunächst behandelnden Ärzte auch zu einer erneuten Therapie mit Temozolomid, alternativ CCNU/Procarbazin, also zu einer Chemotherapie, geraten; auch der MDK hat eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Ein (dringender) Behandlungsbedarf hat daher zum Zeitpunkt des Beginns der streitgegenständlichen Therapie zweifelsfrei bestanden. Darauf, ob zum Zeitpunkt der später erfolgten Antragstellung der Kläger tatsächlich als bereits geheilt und nicht mehr behandlungsbedürftig zu betrachten gewesen wäre – dies unterstellt die Argumentation der Beklagten -, kommt es daher nicht an; denn entscheidend für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Behandlung kann nur der Zeitpunkt des Beginns der Behandlung sein, nicht der einer späteren Antragstellung wegen einer Kostenerstattung.
3.4.2. Zurverfügungstehen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung
Es spricht Einiges dafür, dass für die Behandlung des Klägers nach der operativen Entfernung des Rezidivs noch anerkannte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung gestanden haben. Dies steht aber vorliegend einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen, weil für die streitgegenständliche Immuntherapie vom Kläger und seinem behandelnden Arzt T. eine über die im standardmäßigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Behandlungsmaßnahmen, die lediglich palliativer Art sind, hinausgehende Wirkung, nämlich kurativer Art, geltend gemacht wird.
Die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten, die einerseits einen Anspruch auf eine Behandlung begründen können, die nicht im standardmäßigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten, also an sich von der Versorgung ausgeschlossen ist, setzen andererseits dem Leistungsbegehren eines Versicherten selbst im Fall einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit Grenzen. So gebieten es die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten, den Versicherten in einem solchen Fall auch davor zu bewahren, auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung mit einer zweifelhaften Therapie behandelt zu werden, wenn dadurch eine naheliegende, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht wahrgenommen wird. Erst wenn feststeht, dass eine solche nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese Behandlung nachgewiesenermaßen nicht verträgt, ist der vom BVerfG geforderte Bereich einer weiten, verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften des SGB V eröffnet, in welchem auf den exakten wissenschaftlichen Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Behandlungsmethode verzichtet werden kann und man sich mit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab begnügen darf (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R).
Im vorliegenden Fall hat der MDK in seinem Gutachten vom 04.06.2013 die Ansicht vertreten, dass mit einer ggf. nochmals wiederholten Operation, einer Chemotherapie mit Temozolomid und Nitrosoharnstoffen und einer Bestrahlung, möglicherweise mehrfach wiederholt, noch vertragliche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stünden, die u.U. auch ein mehrjähriges Überleben bewirken könnten. Eine kurative Zielsetzung dieser Behandlung hat der MDK aber nicht angenommen.
Dies entspricht den Hinweisen in den damals gültigen Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie – Gliome (Stand 09/2012) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) (vgl. https://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2012/pdf/ll_76_2012_gliome.pdf), die weitgehend den Leitlinien 2008 (vgl. https://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2008/archiv/ll08kap_ 081. pdf) entsprechen und auf S. 12 Folgendes ausführen:
„Im Rezidiv sollte grundsätzlich eine Reoperation in Betracht gezogen werden. … Zudem kommt wie für die anaplastischen Gliome ausgeführt … eine zweite Strahlentherapie infrage, am ehesten in Form einer stereotaktischen hypofraktionierten Strahlentherapie … oder bildgeführten Strahlentherapie, eventuell in Kombination mit IMRT. … Im Rezidiv ist auch der Wert der Chemotherapie belegt. … Ein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Temozolomid und einem nitrosoharnstoffhaltigen Protokoll wie PCV … in der Rezidivtherapie des Glioblastoms wurde bisher nicht belegt ….“
Der vom Kläger gemäß § 109 SGG benannte Sachverständige, der behandelnde Arzt T., hat das Vorhandensein anerkannter schulmedizinisch gebotener Strategien (Operation, Radiatio und Chemotherapie) bestätigt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass die schulmedizinisch gebotenen Strategien im Gegensatz zu der von ihm angewandten Immuntherapie lediglich palliativen Charakter hätten, aber keinen kurativen Anspruch. Auch der Senat geht davon aus, dass die allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten lediglich palliative Zielsetzung haben.
Dies zugrunde gelegt, nämlich dass die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten anbietet, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung eines Glioblastoma multiforme als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode dann in Betracht, wenn für die begehrte alternative Therapie eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12). Daran fehlt es vorliegend (vgl. unten Ziff. 3.4.3.).
3.4.3. Keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf für die beantragte Immuntherapie Derartige Indizien lassen sich nicht feststellen. Der Senat kann für die streitige Immuntherapie weder Indizien erkennen, die auf eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung des Glioblastoma multiforme des Klägers, wie sie vom Arzt T. geltend gemacht wird, hindeuten, noch solche, die auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, wie sie auch für einen Sachleistungsanspruch und damit eine Kostenerstattung ausreichen würde, hinweisen. Dabei stützt sich der Senat auf das vom SG gemäß § 106 SGG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. J.. Auch aus dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten des behandelnden Arztes T. ergeben sich derartige Indizien nicht, ebenso nicht aus den im Berufungsverfahren von den Bevollmächtigten des Klägers vorgelegten Unterlagen, insbesondere auch nicht aus dem „Gutachten“ des B..
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, dem eine kombinierte Immuntherapie (Hyperthermie, onkolytische Viren und dendritische Zellen) bei Vorliegen eines metastasierenden Ovarialkarzinoms, ebenfalls angewendet durch den Arzt T. (so dessen Angaben im vorliegenden Verfahren; vgl. auch http://www.nordbayern.de/region/gunzenhausen/biotherapeut-dr-T.-wird-vom-gericht-ermuntert-1.2806275), zugrunde lag, Folgendes ausgeführt:
„Es bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden (vgl. BVerfGE 115, 25 ). Die Argumentation des Landessozialgerichts verkennt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären (vgl. BSGE 97, 190 ). Bereits aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich, dass hinsichtlich der therapeutischen Ziele der Krankenbehandlung zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden differenziert wird. Dabei ist nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind (vgl. bereits BSGE 78, 70 ). Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht.“
Die Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, ist – genauso wie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit und das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie – nach den Regeln der ärztlichen Kunst und zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung zu beurteilen (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, und vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R). Es ist also eine ex-ante-Betrachtung mit Blick auf die „voraussichtlichen Erfolgschancen“ der Behandlung durchzuführen; eine „rückblickende“ Beurteilung ausgehend „von einem Erfolg [der] Behandlung“, also deren Ergebnis, verbietet sich (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R). Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, der konkrete Erkrankungsverlauf des Antragstellers keine Bedeutung haben kann, da dieser nur mit einer – nicht zulässigen – rückblickenden Betrachtung einbezogen werden könnte.
Für die Prüfung des Vorliegens der auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, der einerseits eine abstrakte und andererseits eine konkret-individuelle Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen einer Behandlungsmethode zugrunde zu legen ist (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R), dürfen die Anforderungen wegen der grundrechtsorientierten Auslegung und des im Mittelpunkt stehenden Grundrechts des Lebens nicht überspannt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2017, L 5 KR 1036/16; Bayer. LSG, Urteil vom 09.11.2017, L 4 KR 49/13). Gleichwohl begründet das subjektive Empfinden des Versicherten, auch gestützt durch die gleichlautende Einschätzung oder Empfehlung des behandelnden Arztes, oder das Befürworten der Therapie durch einzelne Ärzte allein – ebenso wie der positive Verlauf einer Erkrankung im konkreten Fall eines Antragstellers (vgl. oben) – Indizien im genannten Sinne grundsätzlich nicht (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R; Bayer. LSG, Urteil vom 01.10.2018, L 4 KR 49/13; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 27.07.2016, L 5 KR 442/16, und vom 22.02.2017, L 5 KR 1653/15). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die gesetzliche Krankenversicherung auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12; BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R).
Die Anforderungen an die auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf unterliegen Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Es ist eine Differenzierung im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen, dass umso schwerwiegender die Erkrankung und umso hoffnungsloser die Situation ist, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen sind (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Indizien für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf können sich auch außerhalb von Studien, vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden. Das BVerfG hat im Beschluss vom 06.12.2005,1 BvR 347/98, insofern Folgendes ausgeführt:
„Solche Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang können sich aus dem Gesundheitszustand des Versicherten im Vergleich mit dem Zustand anderer, in gleicher Weise erkrankten, aber nicht mit der in Frage stehenden Methode behandelter Personen ergeben sowie auch mit dem solcher Personen, die bereits auf diese Weise behandelt wurden oder behandelt werden. Insbesondere bei einer länger andauernden Behandlung können derartige Erfahrungen Folgerungen für die Wirksamkeit der Behandlung erlauben. Weitere Bedeutung kommt der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten zu, die die Symptome seiner Krankheit behandeln. Hinweise auf die Eignung der im Streit befindlichen Behandlung können sich auch aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben; ….“
Zur Behandlung mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel bei einer lebensbedrohenden, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung hat das BSG im Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, zum Gesichtspunkt der nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf Folgendes erläutert:
„Danach können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch „Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen“ in Betracht kommen (vgl § 9 Abs. 3 Punkt IV BUB-RL, § 18 Abs. 2 Punkt IV und Abs. 3 Punkt IV; § 20 Abs. 2 Verfahrensordnung).
… Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (so schon zur Auslandsbehandlung BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-​2500 § 18 Nr. 4 S. 20).“
Schließlich hat das BSG auch „wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle“ als „ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet“ betrachtet, „nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für „Indizien“ im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen“ (BSG, Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Nach Maßgabe dieser Vorgaben lässt sich bei der durchzuführenden abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen für die beantragte Immuntherapie mit onkolytischen Viren, kombinierter Hyperthermie (aktiv und passiv), dendritischen Zellen, Artesunaten (bei hoher Transferrinrezeptor-Dichte) und Thymus-Präparaten zur Immunmodulation, wie sie im Antragsschreiben des Arztes T. vom 13.05.2013 beschrieben worden ist, keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf feststellen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Zunächst stellt der Senat fest, dass an den Evidenzmaßstab hinsichtlich der Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf für die beantragte Immuntherapie besteht, im vorliegenden Fall vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen sind. Dies ergibt sich daraus, dass die vorliegende Erkrankung eines Glioblastoma multiforme, erst recht nach Auftreten eines Rezidivs, aufgrund der sehr schlechten Prognose und der geringen durchschnittlichen Überlebenszeit (vgl. oben Ziff. 3.4.1.) als eine sehr schwerwiegend-lebensbedrohliche Erkrankung zu betrachten ist, zumal die anerkannten medizinischen Methoden keinerlei kurativen Ansatz verfolgen und die zur Verfügung stehenden palliative Behandlungsmöglichkeiten nur von sehr beschränkter Wirkung sein dürften.
Aber auch bei Zugrundelegung dieses abgesenkten Evidenzmaßstabs lassen sich ausreichende Indizien für eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch die streitgegenständliche Immuntherapie nicht feststellen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
* Der sozialgerichtliche Sachverständige Prof. Dr. J., der aufgrund seiner beruflichen Stellung am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen H-Stadt über äußerst große Erfahrung und Kenntnisse hinsichtlich der Behandlung von Krebserkrankungen verfügt und dessen Einschätzung im Gutachten vom 29.06.2015 sich der Senat als überzeugend zu eigen macht, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei der vom Arzt T. angewandten Therapie, die aus mehreren Therapiemodalitäten besteht, um eine hochexperimentelle Therapie handelt, für die keine klinisch-wissenschaftliche Rationale existiert. Dieser Umstand schließt eine Behandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus.
Auch für die einzelnen Therapiemodalitäten bestehen nach der Einschätzung des Sachverständigen keine Erkenntnisse dahingehend, dass sie von einer positiven Auswirkung bei der Behandlung eines Glioblastoma multiforme sein könnten. Sofern es für die dendritische Zelltherapie in der Krebstherapie noch gewisse Hinweise darauf gibt, dass diese bei Beladung mit einem spezifischen Antigen Auswirkung auf die Behandlung eines malignen Tumors haben kann, lassen sich diese Erkenntnisse, die nicht hinsichtlich des Glioblastoma multiforme erhoben worden sind und nach der Aussage des Sachverständigen durch diverse andere Studien erheblich in Zweifel gezogen worden sind, nicht auf die Behandlung eines Glioblastoma multiforme übertragen. Zudem ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die vom Arzt T. angewandte Therapie mit dendritischen Zellen gerade nicht mit einer Beladung der dendritischen Zellen mit einem Antigen verbunden ist, so dass die vom Sachverständigen Prof. Dr. J. angeführte positive Phase III-Studie, der eine Behandlung mit dendritischen Zellen, die mit einem Antigen beladen waren, zugrunde gelegen hat, ohnehin nicht auf die konkrete Behandlung zu übertragen ist – eben weil der Therapieansatz wegen der fehlenden Beladung mit einem Antigen ein ganz anderer ist und es für diesen andersartigen Ansatz keine derartige Erhebung gibt.
Ganz abgesehen davon, dass der Senat – mit Ausnahme des tatsächlich sehr günstigen Krankheitsverlaufs des Klägers, der aber bei der Beurteilung der Frage, ob Indizien für eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch die streitgegenständliche Immuntherapie erkennbar sind, ohne rechtliche Relevanz ist – auch für die einzelnen Therapiebestandteile keine Indizien für eine (positive) Beeinflussung des Krankheitsverlaufs des Klägers erkennen kann, steht einer derartigen aufgespaltenen Bewertung einzelner Therapiebestandteile auch entgegen, dass eine einheitliche Betrachtung des Behandlungskonzepts sowohl rechtlich geboten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95) als auch aus medizinischer Sicht vom behandelnden Arzt T. explizit postuliert wird (vgl. dessen Schreiben vom 13.05.2013, dort S. 5: „Die Hyperthermie ist hier keine Monotherapie, sondern eine wichtige Facette in einem immuntherapeutischen Gesamtkonzept.“ und S. 9: „Dass die Kombination von Fieber, Viren und Dendritischen Zellen einen ganz besonderen Sinn hat und nicht nur ein Sammelsurium verschiedener immuntherapeutischer Ansätze ist, wird jedem denkwilligen Arzt durch den Nachweis nahegelegt, dass nur im Zusammenwirken von Dendritischen Zellen, Newcastle-Viren und Lipoposysaccaarid (LPS), einem Bestandteil unseres Fiebermittels, das erwünschte Ergebnis erzielt werden kann, …“).
Sofern am Gutachten des Prof. Dr. J. von den Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 05.02.2018 beanstandet worden ist, dass dieser ein zu hohes Evidenzniveau für die Beurteilung der auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu Grunde gelegt habe, greift dieser Einwand nicht durch. Es ist zwar richtig, dass allein mit dem Umstand, dass es universitäre Studien zur Beurteilung der streitgegenständlichen Therapie nicht gibt – was für den MDK in seinem Gutachten vom 04.06.2013 das entscheidende, rechtlich aber nicht haltbare Argument gewesen zu sein scheint, auch unter grundrechtsorientierter Auslegung einen Leistungsanspruch zu verneinen (vgl. dessen Gutachten vom 04.06.2013) -, nicht bereits das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint werden kann. Der gerichtliche Sachverständige hat aber seine Beurteilung nicht allein darauf gestützt, dass es keine universitären Studien gibt. Vielmehr hat er erläutert, dass die beim Kläger angewandte Therapie als hochexperimentelles Verfahren zu betrachten ist, wobei er diese Bewertung nicht mit dem Fehlen klinischer Studien oder einer fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung der Therapieform begründet hat – anders als der MDK dies im MDK-Gutachten vom 04.06.2013 als tragende Begründung angegeben hat. Der Vorhalt der Bevollmächtigten des Klägers mag daher zwar gegenüber den Ausführungen des MDK zutreffend sein, nicht aber gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen.
* Auch aus dem Gutachten des gemäß § 109 SGG benannten behandelnden Arztes T. ergibt sich keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf für die streitgegenständliche Immuntherapie.
Sofern dieser einen abstrakten Wirksamkeitsnachweis der von ihm angewandten Immuntherapie behauptet, ist dies für den Senat mangels plausibler Begründung nicht nachvollziehbar.
Jedenfalls lässt sich dieser Schluss nicht aus der vom Sachverständigen T. angeführten Studie von Csatary aus dem Jahre 2004 ableiten. Denn diese „Studie“, die offenbar in einer Verlaufsbeobachtung von 14 Patienten besteht, betrifft nach den Ausführungen des Sachverständigen allein die Therapie mit onkolytischen Viren, nicht aber eine immunologische Kombinationstherapie in der vom Arzt T. angewandten Form. Ein Rückschluss auf eine potentielle Wirkung der beim Kläger angewandten Therapie lässt sich daher wegen der unterschiedlichen Ansätze und Therapieteile und dabei gerade des Umstands, dass der Arzt T. für die von ihm angewandte Behandlung ein aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen Therapieansätze postuliert, nicht ziehen.
Ob das Ergebnis einer Beobachtung bei 14 (mit onkolytischen Viren behandelten) Patienten unter Zugrundelegung eines nur geringen Evidenzmaßstabs überhaupt ausreichend sein könnte, um ein Indiz für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu begründen – das BSG hat dies für den Fall von wissenschaftlichen Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R) -, kann dahingestellt bleiben. Denn die Erkenntnisse von Csatary zu einer Therapie allein mit onkolytischen Viren betreffen eine andere Behandlungsform, als sie der Arzt T. beim Kläger mit der immunologischen Kombinationstherapie, bei der die Behandlung mit onkolytischen Viren nur ein Bestandteil von mehreren ist, zur Anwendung gebracht hat. Dies hat der Arzt T. sowohl als behandelnder Arzt als auch als gerichtlicher Sachverständiger wiederholt bestätigt und darauf hingewiesen, dass seine Behandlung auf einem Zusammenwirken der verschiedenen Therapiebestandteile aufbaue und nicht nur ein Sammelsurium verschiedener Behandlungsmethoden sei. Dass Erkenntnisse zu einem einzelnen Therapiebestandteil nicht zu einer Einschätzung hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Kombinationstherapie führen können, auch nicht im Sinne von Indizien bei abgesenktem Evidenzmaßstab, ist für den Senat logisch auch damit zu begründen, dass – geht man mit dem Arzt T. davon aus, dass sich die Therapiebestandteile gegenseitig beeinflussen – für Art und Umfang dieser gegenseitigen Beeinflussung keinerlei Hinweise im Sinne von Indizien vorliegen, auch nicht nach den Ausführungen des Arztes T. in seinem Gutachten. Vielmehr hat dieser die beim Kläger angewandte Therapie selbst als „individuellen Heilversuch“ (letzte Seite des Gutachtens des Arztes T. vom 12.07.2016), ohne dass offengelegte oder nachweisbare Erfahrungswerte für die Kombinationstherapie bestünden, also als experimentell beschrieben.
Für die Kombinationstherapie selbst gibt es, wie der Arzt T. als Sachverständiger selbst bestätigt hat, keinerlei Vergleichsdaten oder Erhebungen, auch nicht mit nur vergleichsweise geringer Patientenzahl.
Sofern der Sachverständige T. der Ansicht zu sein scheint, dass sich die von ihm behauptete Rationale zur Anwendung onkolytischer Viren bereits begrifflich daraus ergebe, dass „onkolytisch“ „Geschwulst auflösend“ bedeute, liegt auf der Hand, das allein mit der Verwendung sprachlicher Begrifflichkeiten kein medizinischer Wirksamkeitsnachweis und auch kein Indiz auf potentielle Wirkungen begründet werden können, was erst recht für die Kombination mit weiteren Therapiebestandteilen gilt.
Auch der Hinweis des Sachverständigen T. darauf, dass das Institut für Tumortherapie in Duderstadt weltweit über die größte Erfahrung mit dendritischen Zellen verfüge, geht ins Leere. Denn diesem Hinweis ist – wie bereits bei der angeführten Studie von Csatary – entgegenzuhalten, dass beim Kläger nach dem Ansatz des behandelnden Arztes T. ein Gesamtkonzept mit einer aufeinander abgestimmten Kombination verschiedener Therapieformen zur Anwendung kommen sollte. Insofern liegt also ein ganz anderer Behandlungsansatz vor als bei einer Monotherapie mit dendritischen Zellen, wie sie nach den Angaben des Sachverständigen T. beim vorgenannten Institut durchgeführt wird. Ob es für die Behandlung eines Glioblastoma multiforme mit dendritischen Zellen in Form einer Monotherapie Indizien für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gibt, ist vom Sachverständigen T. so nicht einmal behauptet worden und bedarf daher keiner weiteren Aufklärung.
Wie bereits zu den Ausführungen des Sachverständigen zur Therapie mit dendritischen Zellen und onkolytischen Viren (vgl. oben) ist auch hinsichtlich seines Hinweises auf eine Glioblastoma-Studie der Universität Witten-Herdecke und Ruhr Universität Bochum zur Hyperthermiebehandlung festzuhalten, dass diese Studie nach den Ausführungen des Sachverständigen wiederum nur eine Monotherapie betrifft und sich daher daraus keine Indizien für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die Kombinationstherapie ergeben können.
Der auf einer Wahrscheinlichkeitsberechnung bestehende Ansatz des Sachverständigen T., dass die Wahrscheinlichkeit, einen Krankheitsverlauf wie beim Kläger zu erreichen, unter einem Prozent liege, daher die Wahrscheinlichkeit einer Wirksamkeit der von ihm angewandten Therapie bei 99% liegen müsse, ist zum einen für den Senat nicht nachvollziehbar und wird zum anderen den Kriterien nicht gerecht, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Beurteilung zu Grunde zu legen sind, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare Beeinflussung des Krankheitsverlaufs des Klägers durch die bei ihm angewandte Kombinationstherapie gegeben ist. Denn der Begründungsansatz des Sachverständigen T. legt eine retrospektive Betrachtung zugrunde, wie sie sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare Beeinflussung des Krankheitsverlaufs gegeben ist, verbietet. Der Ansatz des Sachverständigen T. krankt daran, dass sich das vermeintliche Indiz allein aus dem konkreten Krankheitsverlauf des Klägers ergeben soll, dieser Verlauf aber nicht der Maßstab für die Beurteilung der Aussicht auf eine spürbare Beeinflussung des Krankheitsverlaufs sein kann. Denn derartige Hinweise können sich nicht aus einer retrospektiven Betrachtung des Krankheitsverlaufs des Klägers, sondern nur aus Konstellationen außerhalb dieses konkreten Behandlungsfalls ergeben. Würde man dem Ansatz des Sachverständigen T. folgen, würde im Übrigen eine Kostenerstattung allein davon abhängig sein, ob der Krankheitsverlauf eines Versicherten im Vergleich zum Durchschnittsfall günstiger war – dann wäre die Folge eine Kostenerstattung – oder nur durchschnittlich oder schlechter war – dann wäre die Folge keine Kostenerstattung -, unabhängig davon, worin die Gründe für den Krankheitsverlauf tatsächlich liegen. Dies würde dann dazu führen, dass bei identischen Ausgangssituationen und identischen Behandlungen je nach dem – schicksalshaften – Verlauf der Erkrankung eine Kostenerstattung erfolgen müsste oder nicht.
Somit lässt sich aus dem Gutachten des Arztes T. – anders als dies der Sachverständige glauben machen will – weder ein abstrakter Wirksamkeitsnachweis für die auch beim Kläger zur Anwendung gekommene Therapie noch ein konkreter Wirksamkeitsnachweis der Therapie beim Kläger ableiten, da der natürliche Verlauf nach der Entfernung des Rezidivs, also auch ohne die streitgegenständliche Therapie, durchaus der gleiche gewesen sein kann, wie er beim Kläger eingetreten ist. Darauf hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. J. hingewiesen.
Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies für die Entscheidung noch von entscheidungserheblicher Bedeutung wäre, weist der Senat auf folgende zwei Gesichtspunkte hin:
– Soweit es sich bei der streitgegenständlichen Behandlung des Klägers um einen „individuellen Heilversuch“ gehandelt hat, wie dies der behandelnde Arzt und vom Kläger benannte Sachverständige T. angegeben hat, liegt es nahe, dass diese Behandlung wegen Verstoßes gegen § 15 Berufsordnung der Ärzte Bayerns entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden ist, was einer Berücksichtigung im Rahmen eines Erstattungsanspruchs entgegenstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R:
„Da die Regeln der ärztlichen Kunst maßgeblich sind, muss ggf auch die nicht dem sonst in der GKV vorausgesetzten medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmethode in erster Linie fachärztlich durchgeführt werden; die Behandlung muss … jedenfalls im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert werden (zum Arztvorbehalt vgl BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, SozR 4-​2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 26; Urteil des erkennenden Senats vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R, SozR 4-​2500 § 31 Nr. 4: Tomudex, RdNr. 50 zu den Regeln der ärztlichen Kunst und Dokumentationspflichten). Den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht es auch, jedenfalls soweit es in der jeweiligen Berufsordnung ( vgl dazu auch die nicht als solche rechtsverbindliche Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte – MBO-​Ä 1997, DÄBl 1997 , A-​2354; inzwischen § 15 Abs. 4 MBO-​Ä, DÄBl 2004 , A-​1578, A-​1580) entsprechend der „Deklaration von Helsinki“ vorgesehen ist, bei beabsichtigten Heilversuchen zuvor die zuständige Ethikkommission einzuschalten und ihre (ggf positive) Beurteilung abzuwarten (…).“
– Im Zusammenhang mit der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsanspruchs ist zu beachten, dass einem Anspruch gegebenenfalls auch der Umstand entgegen stehen kann, dass die Erkenntnisdefizite zu einer Behandlungsmethode in der Sphäre des Therapeuten liegen. Das BSG hat insofern im Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R, Folgendes ausgeführt:
„Eine weitere Begrenzung der sich aus der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs. 1a SGB V ergebenden Ansprüche auf Methoden, die noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, folgt aus der Mitwirkungsobliegenheit der Behandler. Die aus der grundrechtsorientierten Auslegung und aus § 2 Abs. 1a SGB V resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, verlangt unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs. 1a SGB V zugrundeliegenden medizinisch-​wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.“
Ausführungen im Gutachten des Arztes T. sowie in dem vom Kläger vorgelegten „Gutachten“ des B. vom 20.08.2018 lassen die Vermutung zu, dass der Arzt T. neben dem Kläger noch weitere Glioblastoma multiforme-Patienten behandelt hat. Unklar ist aber, um wie viele Patienten es sich handelt – im „Gutachten“ des B. werden „4 GBM Patienten“ (S. 2 dieses „Gutachtens“) genannt, im sozialgerichtlichen Gutachten des Arztes T. benennt der Sachverständige keine Zahl, sondern nur „meine Patienten“, wobei es sich dabei um mehr Patienten handeln muss, zumindest wenn die Angabe eines Langzeitüberlebens „in 30% der Fälle“ (drittletzte Seite des Gutachtens) eine rechnerisch genaue Angabe darstellt, weil er dann mindestens zehn Patienten behandelt haben müsste – und ob diese mit der immunologischen Kombinationstherapie behandelt worden sind, wie sie auch beim Kläger zum Einsatz gekommen ist – im „Gutachten“ des B. wird über eine „OV von Dr. T.“ (S. 2 dieses „Gutachtens“), wobei „OV“ die Abkürzung für „oncolytische Virotherapie“ (S. 1 dieses „Gutachtens“) ist, berichtet, wohingegen im Gutachten des Arztes T. eine Behandlung der Patienten „mit Onkolytischen Viren, Hyperthermie und ev. Dendritischen Zellen“ (drittletzte Seite des Gutachtens) angegeben wird. Ob im vorliegenden Verfahren ein Anspruch des Klägers auch daran scheitern könnte, dass eine aktive Bereitschaft des behandelnden Arztes T., einen Beitrag zum Abbau der vorhandenen Erkenntnisdefizite zu leisten, nicht erkennbar ist, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt bleiben.
* Auch aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten „Gutachten“ des B. vom 20.08.2018 ergibt sich keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf für die streitgegenständliche Immuntherapie.
Ganz abgesehen davon, dass sich aus den Ausführungen des B. nicht ergibt, ob dieser bei der Beurteilung der beim Kläger angewandten Therapie den richtigen Zeitpunkt, nämlich den der Durchführung der Behandlung, zu Grunde gelegt hat oder seine Beurteilung auf neuere Erkenntnisse stützt, die aus rechtlichen Gründen bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht maßgeblich wären, enthält die Bewertung des B. wiederum nur Erläuterungen zu einer Behandlung mit onkolytischen Viren, nicht aber zu einem immuntherapeutischen Gesamtkonzept, wie es der Arzt T. beim Kläger angewendet hat. Es ist auch nicht klar, ob B. bei seinen Ausführungen überhaupt die Therapieform zugrunde gelegt hat, die beim Kläger zu Anwendung gekommen ist. Sofern B. den Nachweis des Therapieerfolgs der beim Kläger angewandten Therapie darin zu erkennen meint, dass der Kläger nach wie vor bei guter Gesundheit am Leben sei, verkennt er, dass zum einen eine retrospektive Betrachtung nicht zulässig ist und dass auch der natürliche Verlauf der Erkrankung des Klägers der gleiche sein kann, wie dies der Sachverständige Prof. Dr. J. erläutert hat.
* Die vom Bevollmächtigten des Klägers dem Schriftsatz vom 22.08.2018 beigelegten Veröffentlichungen in The New England Journal of Medicine betreffen wiederum nur die Behandlung von Glioblastoma multiforme mit einer virologischen Therapie, nicht aber im Rahmen eines Gesamtkonzepts, wie dies beim Kläger zur Anwendung gekommen ist. Auf die obigen Ausführungen wird daher insofern verwiesen.
* Der Verlauf der Erkrankung des Klägers, also dass nach der operativen Entfernung des Rezidivs die Krebserkrankung bis heute nicht mehr aufgetreten ist, dürfte zwar ein in der Tat sehr seltener positiver Verlauf sein. Mit dem positiven Verlauf einer Erkrankung im konkreten Fall kann aber nicht ein Indiz für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf begründet werden (vgl. oben).
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der wiederholte Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers (Klagebegründung vom 19.12.2013, Berufungsbegründung vom 05.02.2018), durch die streitgegenständliche Therapie sei es zu einem Größenrückgang des Glioblastoma multiforme WHO Grad IV gekommen, nicht den Tatsachen entspricht. Tatsächlich ist das Rezidiv mikrochirurgisch entfernt worden; danach ist nie mehr ein Tumor nachweisbar gewesen. Die streitgegenständliche Therapie kam damit allein in einem Zeitraum zur Anwendung, in dem überhaupt kein Tumor (mehr) vorgelegen hat. Ein „Größenrückgang“ eines – nicht mehr vorhandenen – Tumors kann damit nicht bewirkt worden sein.
Lediglich vorsorglich und der Vollständigkeit halber weist der Senat weiter darauf hin, dass sich an der Beurteilung und am Ausgang des Verfahrens auch dann nichts ändern würde, wenn die durch den Arzt Dr. G. durchgeführten Behandlungen einer Hyperthermie als vom Antrag vom 13.05.2013 umfasst betrachtet würden, weil im Gesamtkonzept des Arztes T. für den Therapiebestandteil der Hyperthermie der Arzt Dr. G. eingebunden worden wäre. Zwar wäre dann von einem größeren Betrag potenziell erstattungsfähiger Kosten auszugehen. An der rechtlichen Beurteilung würde sich aber ansonsten nichts ändern, so dass auch in diesem Fall die Berufung ohne Erfolg bleiben würde.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


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