Sozialrecht

Keine Familienversicherung bei privater Invaliditätsrente

Aktenzeichen  S 15 KR 73/18

Datum:
23.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18790
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 10, § 16
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1
VVG § 43 Abs. 3, § 44 Abs. 1
SGB X § 44, § 45

 

Leitsatz

1. Zur Pfügung des Ermessens bei der Überprüfung von Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X.
2. Eine Invaliditätsversicherung ist als private Unfallversicherung beitragspflichtig.
1. Leistungen der privaten Unfallversicherung sind grundsätzlich steuerbare Einkünfte und begrenzen deshalb den Zugang zur Familienversicherung. (Rn. 44 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Aufhebung im Zugunstenverfahren scheidet nach Treu und Glauben aus, wenn nach der Rücknahme sofort ein neuer Aufhebungsbescheid erlassen werden müsste. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Auf das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 20.05.2020 wird die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2017 verurteilt, den Bescheid vom 04.04.2017 insoweit zurückzunehmen, als dieser die Familienversicherung für die Klägerin zu 1. gem. Bescheid vom 13.07.2016 auch rückwirkend für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis zum 30.04.2017 aufgehoben hat.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Eine Entscheidung ist im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) möglich, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 ihr Einverständnis gegeben haben.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger zu 2. als Adressat der angegriffenen Verwaltungsakte aktivlegitimiert. Er ist auch materiell prozessführungsbefugt. Geklagt hat nicht alleine, wie nach § 10 SGB V vorgesehen, die Tochter des Klägers zu 2., sondern auch der Kläger zu 2. selbst. Dennoch ist die Klage nicht unzulässig. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers lässt sich im vorliegenden Fall auf eine Ermächtigung (Prozessstandschaft) gründen. Es ist durch die Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass der Stammversicherte aus eigenem Recht auf Feststellung klagen kann, ein bestimmter Familienangehöriger sei in die aus seiner Mitgliedschaft bei der Krankenkasse resultierende Familienversicherung einbezogen (BSGE 72, 292 = SozR 3-2500 § 10 Nr. 2). Der Stammversicherte ist rechtlich durch die Familienversicherung insoweit selbst betroffen, als er gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern und gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten einen Teil seiner Unterhaltspflicht, nämlich die Sorge für die finanzielle Sicherung im Krankheitsfall, durch die Familienversicherung erfüllt (BSG, Urteil vom 06. Februar 1997 – 3 RK 1/96 -, SozR 3-2500 § 33 Nr. 22, SozR 3-2500 § 10 Nr. 10, Rn. 14). Diese Grundsätze gelten dann aber entsprechend auch für den hier streitigen Bescheid, der die einmal gewährte Familienversicherung für die Klägerin zu 1. wieder aufhebt.
Auch die Klägerin zu 1. ist prozessführungsbefugt, auch wenn sie selbst nicht unmittelbar Adressatin der angegriffenen Bescheide ist. Jedoch können auch Verwaltungsakte mit Drittwirkung angefochten werden (vgl. BSGE 70, 99, 100 ff = SozR 3-1500 § 54 Nr. 15 mwN). Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn die geltend gemachten rechtlichen Interessen des Dritten vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfasst werden. Die von der Klägerin zu 1. als Kind eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung geltend gemachte Familienversicherung dient in diesem Sinne auch ihren individuellen Interessen. Die Familienversicherung nach § 10 SGB V ist als eigene Versicherung des Familienangehörigen ausgestaltet (vgl BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr. 2; USK 93109; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr. 6; BSG SozR 3-5405 Art. 59 Nr. 1). Ihre Feststellung oder Ablehnung berührt daher unmittelbar eine eigene Rechtsposition des Familienangehörigen (BSG, Urteil vom 18. März 1999 – B 12 KR 8/98 R -, SozR 3-1500 § 78 Nr. 3, SozR 3-2500 § 10 Nr. 15, Rn. 12).
Das Bundessozialgericht hält in der zitierten Entscheidung vom 18.03.1999 jedoch in einer solchen Konstellation wie dieser, in der die Bescheide bezüglich der Familienversicherung nur an den Stammversicherten, nicht aber an den Angehörigen selbst gerichtet wurden, die Nachholung eines Widerspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung (§ 78 SGG) für erforderlich. Ein solches Vorverfahren ist bezogen auf die Klägerin zu 1. nicht durchgeführt worden. Entgegen der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hält die erkennende Kammer die Durchführung eines solchen Widerspruchsverfahrens vorliegend aber für entbehrlich, da es sich hierbei nur um eine bloße Förmlichkeit handeln würde. Die Entscheidung wird nicht deshalb anders lauten, weil der Bescheid an die Klägerin zu 1. adressiert wird, da sich die zugrundeliegende rechtliche Problematik dadurch nicht ändert. Dem entspricht auch, dass bei notwendiger Streitgenossenschaft der Streitgenosse, der nicht Widerspruch eingelegt hat, als vertreten gilt und es daher ausreicht, wenn das Vorverfahren von einem Kläger durchgeführt worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 78 Rn. 4). Hätte alleine der Kläger zu 2. geklagt, wäre die Klägerin zu 1. notwendig beizuladen gewesen (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 56, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91 -, BSGE 72, 292-297, SozR 3-2500 § 10 Nr. 2), so dass das Urteil gegenüber dem Kläger zu 2. auch Bindungswirkung gegenüber der Klägerin zu 1. haben würde.
Daher ist nach allem die Durchführung eines Vorverfahrens gegenüber der Klägerin zu 1. entbehrlich. Die Klage ist insgesamt zulässig. Die gesetzliche Vertretung der Klägerin zu 1. durch den Kläger zu 2. ergibt sich aus der Betreuungsanordnung mit Einwilligungsvorbehalt.
Die Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet. Insoweit die Klage für den Zeitraum für die Vergangenheit (ex tunc) erfolgreich war, wird auf die Wiedergabe der Entscheidungsgründe gem. § 202 SGG in Verbindung mit §§ 307 S. 1, 313b Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet.
Die angegriffenen Bescheide sind im noch streiterheblichen Umfang bzgl. der Ablehnung einer Familienversicherung der Klägerin zu 1. mit Wirkung ab Mai 2017 rechtlich nicht zu beanstanden und beschweren die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit Recht hat die Beklagte den Bescheid vom 13.07.2016 mit Bescheid vom 04.04.2017 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 20.05.2020 gem. § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung ab dem 01.05.2017 zurückgenommen. Der Bescheid vom 04.04.2017 ist bindend geworden (§ 77 SGG). Er war auf den Überprüfungsantrag des Klägers, der Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, nur für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis zum 30.04.2017 zurückzunehmen.
§ 44 Abs. 1 SGB X bestimmt:
„Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.“
Der angegriffene Bescheid nach § 45 SGB X vom 04.04.2017 ist nicht begünstigend, da er die Familienversicherung für die Klägerin zu 1. aufhebt. Wenn der Entzug der Leistung, der auf § 45 SGB X oder auf § 48 SGB X gestützt wurde – etwa wegen Missachtung des Vertrauensschutzes – rechtswidrig war, ist der Aufhebungsbescheid seinerseits (gem. § 44 SGB X) zurückzunehmen (vgl. Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 SGB X, Rn. 73). Die Aufhebungsentscheidung führt zu einer Beitragspflicht der Klägerin zu 1., so dass – bei Rechtswidrigkeit des aufhebenden Verwaltungsaktes – Beiträge zu Unrecht erhoben werden würden.
Jedoch scheidet eine Aufhebung in Anwendung des § 44 SGB X dann nach Treu und Glauben aus, wenn nach der Rücknahme des Aufhebungsbescheids sofort ein neuer Aufhebungsbescheid erlassen werden müsste (Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 SGB X, Rn. 73). Insbesondere darf ein Betroffener nicht über § 44 SGB X die (Wieder-) Einräumung einer ihm materiell nicht zustehenden Position erlangen (s. BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38 Ls. 2). Dementsprechend besteht weitgehend Einigkeit, dass Verstöße gegen die Anhörungspflicht (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 18; SozR 3 – 1300 § 44 Nr. 21 S. 45) oder reine Formverstöße (BSG SozR 3 – 1300 aaO; sa § 42) im Rahmen des § 44 SGB X unbeachtlich sind (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. April 2015 – L 8 AS 764/13 -, Rn. 63, juris). Strittig ist insoweit jedoch, inwieweit die besonderen formalen Voraussetzungen von § 45 SGB X – Einhaltung der Erkenntnisfrist (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X) sowie eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 45 Abs. 1 SGB X) insoweit zum materiellen Recht zu zählen sind (vgl. hierzu Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 SGB X, Rn. 108-110).
Die Kammer ist hierbei der Auffassung, dass ein Bescheid nach § 45 SGB X dann nach Treu und Glauben nicht nach § 44 SGB X aufgehoben werden kann, wenn alleine Ermessensfehler zu seiner Aufhebung hätten führen müssen. Denn andernfalls würde der Versicherte eine stärkere Rechtsposition erlangen, als wenn er das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt hätte. Die Widerspruchsbehörde hätte im letzteren Fall nämlich Gelegenheit gehabt, ein ordnungsgemäßes Ermessen auszuüben. Diese Möglichkeit ist ihr hingegen im Überprüfungsverfahren verwehrt, da Gegenstand der Überprüfung alleine der bestandskräftige Rücknahmebescheid – und insoweit nur dessen Ermessensbegründung – sein kann.
Zu prüfen sind daher alleine die Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe, der Vertrauensschutz sowie die Einhaltung der Rücknahmefristen.
Nach diesem Maßstab ist die Rücknahmeentscheidung im noch streitbefangenen Umfang nicht rechtsfehlerhaft.
Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 13.07.2016 war dieser objektiv rechtswidrig. Eine Versicherung in der Familienversicherung schied aus, da die Klägerin zu 1. Einkünfte hatte, die die jeweiligen Einkommensgrenzen der Familienversicherung in Höhe von 415 € für das Jahr 2016 und 425 € für das Jahr 2017 übersteigen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheids verwiesen, § 136 SGG.
Insbesondere ist die Unfallrente in Höhe von 825 € als Einkommen der Tochter (Klägerin zu 1.) zu werten, auch wenn der Kläger zu 2. Versicherungsnehmer ist. Die Ausführungen der D. vom 29.08.2018 sind insoweit rechtlich zutreffend. Aufgrund des Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 2. ist der Kläger zu 2. verpflichtet, die Rente an die Klägerin zu 1. auszukehren (vgl. Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 179 Versicherte Person, Rn. 168 mit vielen Nachweisen aus der Rechtsprechung), so dass diese materiell-rechtlich begünstigt ist.
Zur Frage der Beitragsrelevanz der Invaliditätsrente der Klägerin zu 1. gilt ergänzend folgendes:
Voraussetzung für eine Familienversicherung ist, dass die Familienangehörigen kein Gesamteinkommen haben, das im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet.
Gesamteinkommen ist entsprechend § 16 SGB IV die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts. Der Einkommensteuer unterliegen sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Zu den als sonstige Einkünfte i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung des Gesamteinkommens zu berücksichtigenden Einkünften gehören alle wiederkehrenden Bezüge, soweit sie nicht zu den anderen Einkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1-6 EStG gehören (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG).
Streitig ist vorliegend die Rechtsnatur der Invaliditätsrente der Tochter des Klägers. Gem. dem Nachtrag zur Invaliditäts-Zusatzversorgung (undatiert, Beklagtenakte unpaginiert) liegt ein Versicherungsschutz bei Invalidität durch Krankheit und Unfall vor. Es besteht Anspruch auf eine lebenslange Monatsrente in Höhe von 825 €, solange ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 besteht.
Die Kammer geht von einer Besteuerung nach dem Ertragsanteil aus (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 lit. a bb. EStG). Die Kommentarliteratur führt hierzu aus:
„Die Ertragsanteilsbesteuerung gilt für diejenigen Leibrenten und anderen Leistungen, die sich als verzinsliche Auszahlung/Rückzahlung v. eigenem Kapital darstellen und die nicht unter Nr. 1 S. 3 lit. a aa) (Rn. 36 ff.) oder Nr. 5 (Rn. 48 ff.) einzuordnen sind, insbes. für Renten, „die durch den Einsatz v. ausschließlich versteuertem Einkommen erworben wurden“. Sie gilt ferner für abgekürzte Leibrenten, die nicht unter Nr. 1 S. 3 lit. a aa) fallen (zB Rente aus einer privaten Unfallversicherung,12) private selbständige Erwerbsminderungsrente, Waisenrente aus einer privaten Versicherung, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 lit. b nicht erfüllt), sowie bei Anwendung der Öffnungsklausel (Rn. 47). Die Renten, die nicht zur Basisversorgung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 lit. a, b; § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a aa) S. 1, ggf. iVm. § 55 Abs. 2 EStDV) gehören und Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten (was nicht der Fall ist zB bei Schadensersatzrenten13); Rn. 7), werden mit neuen – abgesenkten (Rechnungszinsfuß 3%) – Ertragsanteilen besteuert.1) Die neuen Ertragsanteile gelten auch für Renten, deren Beginn vor dem 1.1.2005 liegt.“ (Fischer in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 22 EStG, Rn. 46)
Die Invaliditätsrente ist als Unfallrente mithin eine Leibrente i. S. d. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a bb) EStG. Demgemäß ist die Invaliditätsrente gem. S. 3 Nr. a) bb) steuerpflichtig:
Der private steuerbare Zinsanteil ist bei Leibrenten iSd. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a bb) im Ertragsanteil (Nr. 1 S. 2 lit. a) gesetzlich pauschaliert. (Fischer in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 22 EStG, Rn. 5). Die Rente wurde erstmals mit Wirkung ab dem 01.07.2006 ausgezahlt. Die Tochter des Klägers hatte daher das vierte Lebensjahr vollendet. Das Gesetz geht dann von einem Ertragsanteil von 57% aus. Dies bedeutet einen steuerpflichtigen Ertragsanteil bei einer Rente in Höhe von 850 € in Höhe von 484,50 €.
Hieraus folgt die grundsätzliche Steuerbarkeit der Renteneinkünfte er Klägerin zu 1. gem. § 22 Abs. 1 S. 3 Nr. a) bb) EStG aufgrund lebenslanger (nicht auf bestimmte Zeit beschränkter) Bezugsdauer. Für eine Steuerfreiheit nach § 3 EStG fehlt jeder Anhaltspunkt. Ein Umkehrschluss zur Steuerfreiheit der gesetzlichen Unfallversicherung kann nicht gezogen werden, da das Steuerrecht abschließende Tatbestände der Steuerfreiheit normiert.
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HS. 2 SGB V wird bei Renten der Zahlbetrag berücksichtigt; dies gilt auch für Versorgungsbezüge. Die in Nr. 5 vorgesehene grundsätzliche Verweisung auf das Steuerrecht ist durch dessen HS. 2 außer Kraft gesetzt (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 10 SGB V (Stand: 14.01.2020), Rn. 43). Renten im Sinne der Norm sind nicht nur Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung; bei der Ermittlung des Gesamteinkommens werden auch Rentenleistungen aus einer privaten Lebensversicherung berücksichtigt. Das BSG hat jüngst erneut festgestellt, dass der Begriff der Rente weit auszulegen ist (BSG v. 29.06.2016 – B 12 KR 1/15 R). Auch eine Halbwaisenrente von der Versorgungseinrichtung einer Ärztekammer ist daher mit dem Zahlbetrag anzusetzen (BSG v. 29.06.2016 – B 12 KR 1/15 R – juris Rn. 19). Der Gesetzgeber hat bei Massenerscheinungen wie der Familienversicherung einen entsprechenden Gestaltungsspielraum und darf dabei typisieren; Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt (BSG v. 29.06.2016 – B 12 KR 1/15 R – juris Rn. 20 ff., zitiert nach: Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 10 SGB V (Stand: 14.01.2020), Rn. 43 f.).
Auch der Ansatz des Zahlbetrags ist daher nicht zu beanstanden.
Schließlich hat die Beklagte auch die Frist von § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X eingehalten. Die zuständige Behörde muss die Rücknahme innerhalb von einem Jahr nach Kenntnis der Tatsachen verfügen, die zur Rücknahme berechtigen (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X (Stand: 08.06.2020), Rn. 110). Der Beklagten wurde am 16.01.2017 von der vormaligen Versicherung der Familie des Klägers zu 2., der C. Betriebskrankenkasse, mitgeteilt, dass die Klägerin zu 1. wegen eines bestehenden Rentenbezugs nicht familienversichert gewesen, sondern in die freiwillige Versicherung aufgenommen worden sei. Am 02.02.2017 begann die Beklagte die Ermittlungen bzgl. der Invaliditätsrente durch entsprechendes Auskunftsbegehren gegenüber dem Kläger zu 2. Bereits am 04.04.2017 nach telefonischer Anhörung am Vortag, d.h. weit innerhalb der Jahresfrist, wurde der Bescheid vom 13.07.2016 zurückgenommen.
Wie oben dargelegt, kommt es auf ordnungsgemäße Ermessensausführungen der Ausgangsbehörde im Überprüfungsverfahren nicht an.
Nach allem war die Klage im noch streitigen Umfang abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beklagte weit überwiegend erfolgreich war.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben