Medizinrecht

Gesetzliche Krankenversicherung: Voraussetzung an einen fiktionsfähigen Antrag auf Leistungen

Aktenzeichen  L 20 KR 139/19

Datum:
13.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51941
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 2 Abs. 1a, § 13 Abs. 3 S. 1, Abs. 3a, § 27 Abs. 1 S. 1,  § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V kann auch dann zu bejahen sein, wenn zwar keine Aussicht auf Heilung mehr besteht, wenn aber mit der Alternativbehandlung eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg im Sinne einer wenigstens positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die allerdings auch spürbar sein muss. (Rn. 59)
2. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines hinreichend bestimmten, fiktionsfähigen Antrags (BSG, Urteil vom 06.11.2018 – B 1 KR 20/17 R). (Rn. 96)
3. Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist es, die Krankenkassen zu einer zügigen Prüfung und Entscheidung anzuhalten, damit Versicherten erforderliche Krankenbehandlungen nicht unbotmäßig lange vorenthalten werden. Daran würde es vorbeigehen, wenn aufgrund eines z.T. prophylaktischen Antrags auf alle möglichen Therapiefacetten, die gegebenenfalls irgendwann irgendwie zum Einsatz kommen könnten (und im konkreten Fall auch über fünf Jahre nach Antragstellung teilweise noch nicht zum Einsatz gekommen sind), die Genehmigungsfiktion quasi als „Blanko-Bewilligung“ für lediglich potentielle künftige Leistungen eintreten würde. (Rn. 96)

Verfahrensgang

S 21 KR 33/16 2019-01-18 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.01.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat weder einen Sachleistungsanspruch auf eine Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei dem Arzt T noch einen entsprechenden Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch für bereits selbstbeschaffte Leistungen.
1. Streitgegenstand im Berufungsverfahren:
Streitgegenstand ist sowohl die künftige Übernahme als auch die Erstattung bisher angefallener Kosten (bzw. ein entsprechender Freistellungsanspruch, sofern die Rechnungen des Herrn T noch nicht bezahlt worden sind) im Rahmen der Immuntherapie durch Herrn T.
Zwar wurde mit der Klage nur beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für eine Immuntherapie „zu übernehmen“. Allerdings wurden im Verlauf des Klageverfahrens zahlreiche Rechnungen vorgelegt, was deutlich macht, dass der Klageantrag auch auf Kostenerstattung im eigentlichen Sinne gerichtet sein sollte. Das SG hat deshalb den Klageantrag zutreffend einerseits als Antrag auf künftige Sachleistung und andererseits als (womöglich unzulässigen, da unbezifferten) Antrag auf Kostenerstattung für die Vergangenheit ausgelegt.
Im Berufungsverfahren wurde zunächst (Schriftsatz vom 26.06.2019) nur beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, „die Kosten für die selbstbeschaffte Therapie“ bei Herrn T „zu erstatten.“ Hieraus ergibt sich jedoch kein Rechtsmittelverzicht bezüglich eines künftigen Sachleistungsanspruchs, wie etwa den Ausführungen des BSG im Beschluss vom 30.03.2020 B9 SB 59/19 B, zu entnehmen ist, wo es heißt:
„Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 705 Satz 2 ZPO wird der Eintritt der Rechtskraft durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt. Diese Hemmungswirkung erfasst grundsätzlich das gesamte Urteil und nicht lediglich den Teil, der in der Rechtsmittelschrift oder in der Begründungsschrift als angefochten bezeichnet ist, weil bei einem statthaften Rechtsmittel eine Erweiterung der Rechtsmittelanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig ist, soweit nicht hinsichtlich des nicht mehr im Streit stehenden Teils ein eindeutiger Rechtsmittelverzicht erklärt wird (vgl BSG Beschluss vom 11.10.1991 – 7 RAr 24/89 – SozR 3-1750 § 706 Nr. 1 S. 5 mwN; BGH Urteil vom 12.11.1997 – XII ZR 39/97 – juris RdNr. 14; BGH Urteil vom 6.10.1987 – VI ZR 155/86 – juris RdNr. 5). Ein Rechtsmittelverzicht muss dabei unmissverständlich den Willen zum Ausdruck bringen, dass sich ein Beteiligter mit der Entscheidung zufrieden gibt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, vor § 143 RdNr. 11 mwN). Die Stellung beschränkter Rechtsmittelanträge enthält für sich allein im Zweifel keinen Verzicht auf die Anfechtung des Urteils im Übrigen oder auf eine künftige Erweiterung des Rechtsmittelantrags (vgl BGH Urteil vom 12.11.1997 – XII ZR 39/97 – juris RdNr. 14). Denn erst mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht steht auch für die Berufung fest, wie weit die Entscheidung der Vorinstanz angefochten wird. Bis dahin hat der Rechtsmittelantrag nur vorläufigen Charakter und kann im Rahmen der Begründung noch erweitert werden (vgl BGH Urteil vom 6.10.1987 – VI ZR 155/86 – juris RdNr. 5 mwN). Darlegungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht.“
Demnach ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nicht nur ein Erstattungs- bzw. Freistellungsanspruch, sondern weiterhin auch ein künftiger Sachleistungsanspruch. Die Erweiterung des Antrags mit Schriftsatz vom 25.09.2020 war hierfür noch ausreichend.
2. Kein Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie Der Kläger hat keinen Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie durch Herrn T.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unter anderem ärztliche Behandlung. Der Anspruch auf Krankenbehandlung unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Zu erbringen sind nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung bedarf es gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V. Eine Empfehlung des GBA zu den von Herrn T ambulant angewandten Behandlungsmethoden im Einzelnen oder insgesamt liegt nicht vor. Auch sind weder Anhaltspunkte für ein Systemversagen noch für einen sogenannten Seltenheitsfall ersichtlich.
Deshalb kann die Immuntherapie des Herrn T zur Behandlung des Glioblastoma multiforme vorliegend als ambulante ärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach dem seit 01.01.2012 geltenden § 2 Abs. 1a SGB V erbracht werden. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setzt nach § 2 Abs. 1a SGB V voraus, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
– Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor,
– bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und
– es besteht eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung Der Kläger leidet an einem Glioblastoma multiforme – laut MDK (Gutachten vom 06.11.2015) an einem bösartigen Tumor des Gehirns nach sekundärer Malignisierung im Oktober 2014 (Glioblastom WHO IV) auf dem Boden eines Oligodendroglioms niedriger Malignität 2002.
Dabei weist H in seinem Gutachten (Seite 9) darauf hin, dass beim Kläger ein anaplastisches Oligodendrogliom vorliegen könnte – mit der Folge deutlich längerer Überlebenszeiten.
Voraussetzung für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V ist eine Gefährdungslage im Sinne einer notstandsähnlichen Situation, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt ist daher das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist daher, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, d.h. in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen muss (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 26.03.2014, 1 BvR 2415/13, und vom 10.11.2015, 1 BvR 2056/12). Das BVerfG hat es dabei ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich „erst“ in einigen Jahren zum Tod führt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, und vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06).
Laut H ist davon auszugehen, dass auch im Falle eines (günstigeren) anaplastischen Oligodendroglioms der Tumor irgendwann weiterwächst und auch diese Erkrankung nach Jahren bis zu Jahrzehnten zum Tod führt. Angesichts dessen, angesichts der ungeklärten Einordnung des klägerischen Glioblastoms (Standard-Glioblastom oder anaplastisches Oligodendrogliom) und angesichts des beim Kläger bereits vorliegenden Rezidivstadiums bejaht der Senat eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung des Klägers.
b) Zurverfügungstehen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung Aus Sicht des Senats ist ein grundrechtsorientierter Leistungsanspruch des Klägers jedoch deshalb zu verneinen, weil zur Behandlung seines Glioblastoms allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen zur Verfügung standen bzw. stehen.
Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher gesundheitlicher Risiken, vor allem schwerwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind (Hauck/Noftz, SGB V, Stand 04/2019, § 2 Rn. 76f m.w.N.).
Zu Beginn der Therapie bei Herrn T im Jahr 2015 bestanden laut H weitere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten – allerdings nicht mit Aussicht auf Heilung, sondern (nur) auf Lebensverlängerung (CCNU-Monotherapie bzw. CCNUbasierte PCV-Chemotherapie). In seinem Arztbrief vom 06.11.2017 beschreibt auch Herr T die Möglichkeit einer Therapie mit CCNU, was aus seiner Sicht zwar keinen sinnvollen Weg darstelle, aber möglich sei. H führt aus, dass die CCNU-Therapie auch in der Rezidivsituation durchgeführt werden und zu einer positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf führen könne. Diese Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen können durch das Gutachten des B nicht widerlegt werden. Dieser beschränkt sich darauf, ohne weitere Begründung die Behandlung mit CCNU zu verwerfen, weil diese Behandlung „der Gutachter nicht einmal für sich selbst wahrnehmen, sondern vehement als voraussichtlich nutzlos, aber hochgradig nebenwirkungsbelastet verweigern“ würde. Ein Beleg für diese Behauptung wird von B nicht angeführt. Sie kann deshalb die sorgfältigen und auf medizinwissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Äußerungen des H nicht erschüttern. Damit standen in der Vergangenheit – vor dem erneuten Aufflammen der Erkrankung im August 2018 – zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung, die noch nicht vom Kläger ausgeschöpft worden sind.
Auch aktuell bestehen noch schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten. Mitte des Jahres 2018 hat sich bei dem Kläger eine Verschlechterung des Zustandes eingestellt, es erfolgte am 08.08.2018 eine erneute Operation am Universitätsklinikum E. Nach der operativen Entfernung des Tumors wurde ärztlicherseits eine Bestrahlung empfohlen, die in A durchgeführt werden sollte. Nach Angabe der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2019 habe der behandelnde Arzt in A die Verantwortung jedoch nicht auf sich nehmen wollen und den Kläger an eine Klinik in M verwiesen. Diese Therapieoption habe der Kläger jedoch nicht wahrnehmen wollen, sondern habe sich wieder an Herrn T gewandt. Demnach standen mit der Bestrahlung in einer Klinik in M weiter noch zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Die dem Kläger empfohlenen Therapien entsprechen auch den Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie – Gliome (AWMF-Registernummer: 030/099; vollständig überarbeitet: 1. März 2014, gültig bis: 31. Dezember 2017, z.Z. in Überarbeitung), wo es auf Seite 5 zusammenfassend heißt:
„Im Rezidiv ist keine Standardtherapie definiert. Auf individueller Basis sollte die Indikation zu Reoperation, Chemotherapie oder erneuter Strahlentherapie geprüft werden. Medikamente der ersten Wahl sind Nitrosoharnstoffe (CCNU), erneut Temozolomid (Rechallenge) oder – unter Beachtung der Zulassung und Erstattungsfähigkeit (Schweiz: ja, Deutschland und Österreich: nein) – Bevacizumab.“
Zum Berufungsvortrag im Hinblick auf das Vorliegen allgemein anerkannter, dem medizinischen Standard entsprechender Leistungen ist Folgendes auszuführen: Im Schriftsatz vom 26.06.2019 weist der Klägerbevollmächtigte einerseits darauf hin, dass laut SG Nürnberg noch eine Therapie mit CCNU als vertragsärztliche Leistung zur Verfügung stehe, andererseits darauf, dass es sich bei der Therapie von Bevacizumab um eine Therapie mit einem nicht zugelassenen Zytostatikum, handele, bezüglich dessen in Fachkreisen bereits der eindeutige Konsens bestehe, dass diese Therapie keinen Überlebensvorteil der Patienten ergebe – bei unverhältnismäßigen Nebenwirkungen. Aus diesem Grunde werde von Bevacizumab bei der Behandlung eines Glioblastoms abgeraten, wie zahlreiche – in der Anlage beigefügte – medizinische Verlautbarungen bestätigten.
Allerdings hat H nur die Möglichkeit einer CCNU- oder BCNU-Therapie genannt, eine Empfehlung einer Therapie mit Bevacizumab (Avastin) hat er dagegen nicht ausgesprochen. Womöglich beruhen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten darauf, dass B in seinem Gutachten (Seite 8) die Möglichkeit einer CCNU- oder BCNU-Therapie „mit oder ohne Bevacizumab als Antikörper“ erwähnt und ihr eine äußerst geringe Erfolgsaussicht attestiert hat. Da aber vorliegend – auch laut H – Bevacizumab nicht als mögliche Therapieoption im Raum steht, gehen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten insoweit jedenfalls ins Leere.
Wenn der Bevollmächtigte schließlich im Hinblick auf noch zur Verfügung stehende Standardtherapien auf das Wirtschaftlichkeitsgebot hinweist und hervorhebt, dass der Kläger gerade auf klassische Behandlungsmethoden verzichte und hierdurch eine erhebliche Kostenentlastung der Versichertengemeinschaft veranlasse, so zeigt dies zum einen, dass auch er vom Vorhandensein klassischer Behandlungsmethoden für den Kläger noch ausgeht. Zum anderen wird dadurch aber auch deutlich, dass er das Sachleistungsprinzip als Grundprinzip der GKV außer Acht lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG besteht ein Kostenerstattungsanspruch nicht schon deshalb, weil die Krankenkasse dadurch, dass der Versicherte Leistungen außerhalb des Leistungssystems der GKV in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart; denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden (BSG, Beschluss vom 26.07.2004, B 1 KR 30/04 B).
Die noch zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden verfolgen (nur) einen palliativen Ansatz, während die streitgegenständliche Immuntherapie laut Herrn T (vgl. Schreiben vom 12.06.2015, Seite 4) einen kurativen Anspruch besitze.
Das BVerfG hat insoweit ausgeführt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden darf, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12).
Allein die Behauptung von Herrn T, seine alternative Behandlungsmethode besitze kurativen Charakter, kann damit nicht ausreichen. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, kommt ein grundrechtsorientierter Leistungsanspruch nur dann in Betracht, wenn mit der Alternativbehandlung eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg im Sinne einer wenigstens positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht (Sächsisches LSG, Urteile vom 27.03.2018, L 9 KR 275/13, und vom 16.04.2017, L 1 KR 185/12). Ein solcher Erfolg muss nicht zwingend die (vollständige) Heilung sein, sondern kann auch die spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken, namentlich durch das vorübergehende Aufhalten oder Verlangsamen des Fortschreitens der nicht mehr heilbaren und deshalb kurativ nicht behandelbaren Erkrankung sein; das gilt insbesondere für nicht mehr heilbare Tumorerkrankungen, bei denen das Tumorwachstum zur Verlängerung der Lebenszeit des Erkrankten vorübergehend aufgehalten oder verlangsamt werden soll. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die freilich außerdem auch spürbar sein muss (vgl. insg. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017, L 5 KR 1653/15).
c) Keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf Eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg in diesem Sinne besteht jedoch zur Überzeugung des Senats nicht.
Der Senat kann für die streitige Immuntherapie weder Indizien erkennen, die auf eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung des Glioblastoma multiforme des Klägers, wie sie vom Arzt T geltend gemacht wird, hindeuten, noch solche, die auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, wie sie für einen Sachleistungsanspruch und damit eine Kostenerstattung ausreichen würde, hinweisen. Dabei stützt sich der Senat auf das vom SG gemäß § 106 SGG eingeholte Gutachten des H. Auch aus dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten des B ergeben sich derartige Indizien nicht, ebenso nicht aus den im Berufungsverfahren vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Unterlagen.
Die Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, ist – genauso wie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit und das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie – nach den Regeln der ärztlichen Kunst und zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung zu beurteilen (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, und vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R). Eine rückblickende Beurteilung unter Berücksichtigung eines etwaigen Erfolgs der durchgeführten Behandlung verbietet sich also. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, der konkrete – vorliegend über Jahre erfreuliche – Erkrankungsverlauf des Klägers keine Bedeutung haben kann, da dieser nur mit einer – nicht zulässigen – rückblickenden Betrachtung einbezogen werden könnte.
Für die Prüfung des Vorliegens der auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, der einerseits eine abstrakte und andererseits eine konkret-individuelle Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen einer Behandlungsmethode zugrunde zu legen ist (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R), dürfen die Anforderungen wegen der grundrechtsorientierten Auslegung und des im Mittelpunkt stehenden Grundrechts des Lebens nicht überspannt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2017, L 5 KR 1036/16; Bayer. LSG, Urteil vom 09.11.2017, L 4 KR 49/13). Gleichwohl begründet das subjektive Empfinden des Versicherten, auch gestützt durch die gleichlautende Einschätzung oder Empfehlung des behandelnden Arztes, oder das Befürworten der Therapie durch einzelne Ärzte allein – ebenso wie der positive Verlauf einer Erkrankung im konkreten Fall eines Antragstellers (vgl. oben) – Indizien im genannten Sinne grundsätzlich nicht (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R; Bayer. LSG, Urteil vom 01.10.2018, L 4 KR 49/13; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 27.07.2016, L 5 KR 442/16, und vom 22.02.2017, L 5 KR 1653/15). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die GKV auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12; BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R).
Allerdings hat das BVerfG im Beschluss vom 06.12.2005,1 BvR 347/98, auch ausgeführt, dass sich Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang auch aus dem Gesundheitszustand des Versicherten im Vergleich mit anderen Erkrankten, aus der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten sowie aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben können. Indizien für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf können sich also auch außerhalb von Studien, vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden.
Die Anforderungen an die auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf unterliegen Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Es ist eine Differenzierung im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen, dass umso schwerwiegender die Erkrankung und umso hoffnungsloser die Situation ist, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen sind (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Schließlich hat das BSG auch „wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle“ als „ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet“ betrachtet, „nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für „Indizien“ im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen“ (BSG, Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Nach diesen Maßgaben lässt sich für die beantragte Immuntherapie, wie sie im Schreiben von Herrn T vom 12.06.2015 dargestellt wurde, keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf feststellen. Der Senat stützt sich hierbei vornehmlich auf die Ausführungen des sozialgerichtlichen Sachverständigen H, der aufgrund seiner beruflichen Stellung als Leiter eines zertifizierten neuroonkologischen Zentrums (Universität B) über große Erfahrung und Kenntnisse in der Behandlung von Hirntumoren verfügt und dessen Einschätzung sich der Senat als überzeugend zu eigen macht. H legt ausführlich dar, dass es für keine der Therapiefacetten, zumindest so, wie sie Herr T durchführt, ausreichende klinische Hinweise darauf gibt, dass der Verlauf eines Patienten mit malignem Gliom verbessert wird. Zwar handelt es sich hierbei teilweise um Therapieansätze, zu denen durchaus geforscht wird; sie befinden sich jedoch noch im experimentellen Stadium. Da die Wirksamkeit der Einzelelemente nicht ausreichend belegt ist und für die Kombination keinerlei klinischen Wirksamkeitsdaten vorliegen, ergibt sich, so H, für die Kombinationstherapie keine hinreichende Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung oder Schmerzlinderung. Der experimentelle Charakter der beantragten Therapien schließt ihre Anwendung zulasten der GKV aus.
Nur am Rande sei erwähnt, dass auch Professor J, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen H, in einem Parallelverfahren (L 20 KR 502/17, ebenfalls Glioblastoma multiforme) zum selben Ergebnis bezüglich der von Herrn T angewandten Therapie gelangte.
Für den Senat ist maßgeblich, dass die streitgegenständliche Immuntherapie laut Herrn T als Gesamttherapie zu betrachten ist und auch als solche beantragt wurde (vgl. dessen Schreiben vom 12.06.2015, dort Seite 5: „Die Hyperthermie ist hier keine Monotherapie, sondern eine wichtige Facette in einem immuntherapeutischen Gesamtkonzept.“ und Seite 9: „Dass die Kombination von Fieber, Viren und Dendritischen Zellen einen ganz besonderen Sinn hat und nicht nur ein Sammelsurium verschiedener immuntherapeutischer Ansätze ist, wird jedem denkwilligen Arzt durch den Nachweis nahegelegt, dass nur im Zusammenwirken von Dendritischen Zellen, Newcastle-Viren und Lipoposysaccaarid (LPS), einem Bestandteil unseres Fiebermittels, das erwünschte Ergebnis erzielt werden kann, …“). Auch im Schreiben vom 25.09.2019 mit dem Betreff „Sinn einer Kombinationstherapie, wo die einzelnen Therapie-Facetten bereits wissenschaftlich gut belegt sind: Kombination von onkolytischen Viren und dendritischen Zellen“ weist Herr T speziell auf die potenzierende Wirkung der Kombination von onkolytischen Viren und dendritischen Zellen hin (wobei es allerdings kein festes Protokoll gebe, sondern der klinische Verlauf das Vorgehen bestimme).
Damit kommt es nach dem Willen von Herrn T auf seine Immuntherapie als Gesamtkonzept an. Eine aufgespaltene Bewertung und gegebenenfalls Bewilligung einzelner Therapiebestandteile scheidet damit aus. Sie würde sich im Übrigen auch rechtlich verbieten – zum einen, weil nicht, was durchaus auch möglich und üblich ist, die Bewilligung einzelner Therapien, sondern eben eines Gesamtkonzeptes als solchen beantragt wurde, zum anderen aber auch, weil bei der rechtlichen Bewertung der beantragten Therapie im Hinblick auf ihr Einwirken auf den Krankheitsverlauf auch zu berücksichtigen ist, dass es keine dokumentierten Erkenntnisse über eventuell sich potenzierende Nebenwirkungen bei der Kombination der einzelnen Therapiefacetten gibt.
Objektivierbare Erkenntnisse, dass die Therapie, so wie von Herrn T durchgeführt, Erfolgsaussicht verspricht, liegen nicht vor. Solche lassen sich auch weder aus den Ausführungen von Herrn T selbst noch aus denen des Gutachters B ableiten, der zwar im großen Umfang Behauptungen ins Feld führt, diese jedoch nicht hinreichend medizinisch-wissenschaftlich belegen kann. Insofern wird auf die Ausführungen des SG verwiesen. Auch sämtliche im Berufungsverfahren vorgelegte Unterlagen befassen sich lediglich mit einzelnen der beantragten Therapiefacetten oder mit einer Kombination einzelner Facetten. Wie bereits dargelegt, lassen sich hieraus jedoch keine ausreichenden Schlüsse bezüglich des beantragten Gesamtkonzepts ziehen – weder im Hinblick auf dessen Wirksamkeit noch im Hinblick auf etwaige Nebenwirkungen.
Im Zusammenhang mit der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsanspruchs ist schließlich zu beachten, dass einem Anspruch gegebenenfalls auch der Umstand entgegenstehen kann, dass die Erkenntnisdefizite zu einer Behandlungsmethode in der Sphäre des Therapeuten liegen. Das BSG hat insofern im Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R, Folgendes ausgeführt: „Eine weitere Begrenzung der sich aus der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs. 1a SGB V ergebenden Ansprüche auf Methoden, die noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, folgt aus der Mitwirkungsobliegenheit der Behandler. Die aus der grundrechtsorientierten Auslegung und aus § 2 Abs. 1a SGB V resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, verlangt unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grund-rechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs. 1a SGB V zugrundeliegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.“
Offensichtlich hat Herr T schon etliche Patienten mit Glioblastoma multiforme behandelt. Eine systematische Darstellung der Behandlungsschemata und ihres Erfolgs oder auch Misserfolgs wurde jedoch nie vorgelegt, obwohl dies Herrn T durchaus möglich sein sollte. Ob im vorliegenden Verfahren ein Anspruch des Klägers letztlich daran scheitern könnte, dass eine aktive Bereitschaft des behandelnden Arztes T, einen Beitrag zum Abbau der vorhandenen Erkenntnisdefizite zu leisten, nicht erkennbar ist, kann mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch dahingestellt bleiben (vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 16.05.2019, L 20 KR 502/17).
Im Ergebnis ist jedenfalls auch die dritte Voraussetzung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V, nämlich das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, nicht erfüllt. Ein Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie durch Herrn T besteht damit nicht.
3. Kein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch wegen bereits entstandener Kosten für die Immuntherapie nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der bereits entstandenen Kosten gemäß § 13 Abs. 3 SGB V bzw. einen Freistellungsanspruch bzgl. noch offener Zahlungen an Herrn T.
Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten bzw., sofern – wie vorliegend – der Versicherte noch nicht oder nicht vollständig gezahlt, auf Freistellung von den Kosten und auf Zahlung der Krankenkasse an den Gläubiger (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R) kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat in beiden Regelungsalternativen einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (Primäranspruch) zur Grundvoraussetzung (jurisPK, SGB V, Stand 22.09.2020, § 13 Rn. 52). Damit scheidet ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch des Klägers wegen seiner bislang für die Behandlung durch Herrn T verauslagten Kosten bereits deshalb aus, weil der Kläger keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte hat, siehe oben.
Ein Kostenerstattung- bzw. Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert jedoch zusätzlich daran, dass weder der Beschaffungsweg eingehalten wurde (die Leistungsablehnung also nicht kausal für die Selbstbeschaffung war, § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V) noch die Selbstbeschaffung unaufschiebbar war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V).
a) § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V – Beschaffungsweg nicht eingehalten Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG scheidet ein auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V gestützter Erstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (z.B. BSG, Urteil vom 02.07.2015, B 3 KR 3/15 BH; BSG, Beschluss vom 21.02.2008, B 1 KR 123/07 B). § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R).
Nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen der Praxis T erfolgte die erste Behandlung am 30.04.2015, Rechnungen aus Apotheken liegen bereits vom März 2015 vor. Der Kläger hat damit bereits vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 17.07.2015 mit der Therapie begonnen. Damit fehlt es aber an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung, der nach der Rechtsprechung des BSG Voraussetzung ist für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V ist.
Dies gilt auch für den Fall einer Behandlung, die sich – wie hier – über einen längeren Zeitraum erstreckt. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse zwar im Allgemeinen eine Zäsur sein; daher kann die Kostenerstattung im Einzelfall auch nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen sein, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden. Das kann allerdings nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse überhaupt noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Waren mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung die weiteren Schritte bereits vorgezeichnet und festgelegt, fehlt selbst bei dieser Konstellation der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Behandlung als einheitlicher Vorgang darstellt, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt (vgl. insg. BSG, Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR3/04 R).
Wenn Herr T einerseits im Hinblick auf die Besonderheit seiner Immuntherapie gerade auf das Ineinandergreifen und Zusammenspiel der einzelnen Therapiefacetten abstellt, so verbietet sich umgekehrt auch eine Aufspaltung hinsichtlich der Leistungsbewilligung. Der Kläger hatte bereits vor der Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag mit der Behandlung begonnen und sich damit bereits unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse endgültig festgelegt. Die Behandlung wurde bzw. wird konstant seit März 2015 durchgeführt. Durch den ablehnenden Bescheid ist keine Zäsur eingetreten.
Dass der Kläger sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Beklagten ausfallen würde, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen war, sich die Leistung auch dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R), wird vorliegend auch dadurch deutlich, dass er die Therapie fortsetzte bzw. intensivierte (durch Hyperthermie und später onkolytische Viren) – und zwar ungeachtet der Ablehnung durch die Beklagte, ungeachtet der Tatsache, dass auch sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Jahr 2017 im Hinblick auf eine vorläufige Gewährung der beantragten Immuntherapie vom SG abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde vom LSG zurückgewiesen wurde (jeweils nach ausführlicher Erläuterung in den Gründen, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben war) und ungeachtet der Empfehlung der Uni-Klinik E nach der Operation im August 2018, eine Bestrahlung durchführen zu lassen.
b) § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V – keine Unaufschiebbarkeit Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V, weil es sich bei der Immuntherapie nicht um eine unaufschiebbare Leistung handelte.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte.
Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R). Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).
Stets hängt der Anspruch wegen Unaufschiebbarkeit jedoch davon ab, ob der Versicherte alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, um sich die Sachleistung zu verschaffen. Regelmäßig erforderlich und dem Versicherten zumutbar ist es, die Krankenkasse überhaupt einzuschalten (Kasseler Kommentar, SGB V, 101. EL 9/18, § 13 Rn. 75). Für die erste Fallgruppe des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen zur (rechtzeitigen) Leistung herausgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R). Der Versicherte muss daher vor der Leistungsinanspruchnahme grundsätzlich zunächst Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen, damit diese die objektive Verfügbarkeit prüfen und dem Versicherten mitteilen kann. An einer Unaufschiebbarkeit fehlt es dementsprechend, wenn die Krankenkasse vor der Leistungsinanspruchnahme nicht mit dem Leistungsbegehren des Versicherten befasst worden ist, obwohl dies möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R) oder wenn der Versicherte unabhängig von der Entscheidung der Krankenkasse bereits auf eine bestimmte Leistung festgelegt war (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R). Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen ist Unaufschiebbarkeit nur bis zur Entscheidung der Krankenkasse gegeben; für die nach einer ablehnenden Entscheidung in Anspruch genommenen Leistungen kommt nicht mehr § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, sondern Alt. 2 in Betracht (BSG, Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 24/05 R; vgl. zum Ganzen auch Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 13 Rn. 24, 25).
Hieran gemessen, käme ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt.1 SGB V nur für bis zum Ablehnungsbescheid vom 17.07.2015 in Anspruch genommene Leistungen in Betracht; er scheitert jedoch daran, dass es dem Kläger aus medizinischen Gründen möglich und zumutbar gewesen wäre, vor Beginn der Therapie bei Herrn T mit seinem Leistungsbegehren wenigstens an die Beklagte heranzutreten.
Dies ist erst am 12.06.2015 geschehen. Der Kläger hatte die streitgegenständliche Therapie dagegen bereits im März, spätestens im April 2015 begonnen, ohne sich vorher mit seinem Leistungsbegehren an die Beklagte gewandt zu haben, obwohl zumindest dies ihm unproblematisch vorher möglich gewesen wäre. Er hatte zum damaligen Zeitpunkt gerade einen Zyklus der schulmedizinischen Behandlung abgeschlossen. Eine mögliche Progression der Erkrankung, die ein rasches Handeln hätte erfordern können, wurde erst am 07.05.2015 und damit nach Therapiebeginn bei Herrn T diskutiert. Es sind keine Aspekte im Sinne einer ganz besonders hohen Eilbedürftigkeit ersichtlich, wegen derer auch nur eine Information der Beklagten vor Beginn der Therapie den Kläger nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Der zeitliche Ablauf spricht zudem dafür, dass der Kläger darauf festgelegt war, die Immuntherapie bei Herrn T unabhängig von einer diesbezüglichen Entscheidung der Beklagten durchzuführen. Ein Kostenerstattungsanspruch wegen Unaufschiebbarkeit gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V kommt damit insgesamt nicht in Betracht.
4. Auch kein Anspruch wegen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V Bezüglich der streitgegenständlichen Immuntherapie besteht auch kein Anspruch wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V, weder auf Sachleistung noch auf Kostenerstattung oder Freistellung.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Da die Beklagte den Kläger nicht über die Einschaltung des MDK informierte, hätte sie über dessen am 12.06.2015 eingegangenen Antrag innerhalb von drei Wochen entscheiden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R), was jedoch nicht geschehen ist. Tatsächlich erfolgte die Entscheidung erst mit Bescheid vom 17.07.2015, so dass grundsätzlich die Genehmigungsfiktion eingetreten ist.
Einen Sachleistungsanspruch kann der Kläger bereits aufgrund der neueren Rechtsprechung des 1. und 3. Senats des BSG (Urteile vom 26.05.2020, B 1 KR 9/18, und vom 18.06.2020, B 3 KR 19/13 R) hieraus nicht ableiten. Das BSG hat – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden, dass eine fingierte Genehmigung nach dem Leistungsrecht der GKV (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch begründet. Sie vermittelt dem Versicherten vielmehr eine Rechtsposition sui generis. Diese erlaubt es ihm, sich die Leistung (bei Gutgläubigkeit) selbst zu beschaffen, und verbietet es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Recht der GKV bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung.
Der Kläger hat aber auch keinen Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch aufgrund eingetretener Genehmigungsfiktion. Sofern der Kläger mit der Immuntherapie bei Herrn T bereits vor der Entscheidung der Beklagten hierüber begonnen hatte, hätte sich der Sachleistungsanspruch allenfalls in einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wandeln können. Ansprüche gegen eine Krankenkasse, die – wie sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche – unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind, sind jedoch vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht umfasst (vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, und vom 06.11.2018, B 1 KR 13/17 R). Eine Selbstbeschaffung vor Ablauf der Entscheidungsfrist unterfällt im Übrigen generell nicht dem § 13 Abs. 3a SGB V. Denn die krankenversicherungsrechtliche Genehmigungsfiktion und der darauf beruhende Kostenerstattungsanspruch scheiden aus, wenn sich der Versicherte die Leistung selbst beschafft, bevor die der Krankenkasse gesetzlich eingeräumte Frist zur Entscheidung über den Leistungsantrag abgelaufen ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R).
Es besteht aber auch kein Anspruch auf Kostenerstattung (bzw. Freistellung) nach § 13 Abs. 3a Abs. 7 SGB V für nach Fristablauf selbstbeschaffte Leistungen von Herrn T.
Hierfür fehlt es bereits an einem hinreichend bestimmten und damit fiktionsfähigen Antrag. Der Antrag im Schreiben vom 12.06.2015 mit den Ausführungen von Herrn T vom selben Tag erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zwar lautete der Antrag auf Kostenübernahme der Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin. Wann, wie oft, wie lange, unter welchen Voraussetzungen oder in welcher Kombination die einzelnen Therapiefacetten der beantragten Therapie (gleichzeitig oder nacheinander?) zur Anwendung kommen sollten, ist daraus nicht ersichtlich. Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist es, die Krankenkassen zu einer zügigen Prüfung und Entscheidung anzuhalten, damit Versicherten erforderliche Krankenbehandlungen nicht unbotmäßig lange vorenthalten werden. Daran würde es vorbeigehen, wenn aufgrund eines quasi prophylaktischen Antrags auf alle möglichen Therapiefacetten, die gegebenenfalls irgendwann irgendwie zum Einsatz kommen könnten (und vorliegend auch über fünf Jahre nach Antragstellung zum Teil noch nicht zum Einsatz gekommen sind, vgl. z.B. dendritische Zellen), die Genehmigungsfiktion für lediglich potentielle Leistungen vielleicht irgendwann in der Zukunft eintreten würde.
Unabhängig davon scheitern vorliegend Ansprüche nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V aufgrund der Genehmigungsfiktion aber auch daran, dass der Kläger bereits vor Antragstellung mit der beantragten Therapie, die als einheitliche Behandlungsmaßnahme zu bewerten ist (siehe oben), begonnen hatte. Nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen der Praxis T erfolgte die erste Behandlung am 30.04.2015, Rechnungen aus Apotheken liegen bereits vom März 2015 vor.
Die Grundsätze über die Einhaltung des Beschaffungswegs, auch bei Behandlungen von längerer Dauer (siehe oben), haben auch im Falle der Genehmigungsfiktion anstelle einer Entscheidung der Krankenkasse zu gelten. Der Sanktionscharakter des § 13 Abs. 3a SGB V besteht darin, dass die Krankenkasse bei nicht rechtzeitiger Entscheidung Gefahr läuft, auch für Leistungen unabhängig vom Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einstehen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 17/10488, Seite 32), nicht jedoch darin, dass leistungsrechtliche Grundsätze der Kausalität bzw. des Beschaffungswegs ausgehebelt werden sollen. Deshalb gilt auch bei § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V, dass bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen der Eintritt der Genehmigungsfiktion keine Zäsur darstellt (ebenso wenig wie die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse bei § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V), wenn wie vorliegend das weitere Leistungsgeschehen dadurch nicht mehr beeinflusst wird bzw. wurde. Mit Beginn der Behandlung bei Herrn T und dem Sich-Abwenden des Klägers von der „Schulmedizin“ war der weitere Behandlungsablauf – der zudem nach den Ausführungen von Herrn T als Einheit bzw. Gesamtkonzept und nicht als Sammelsurium einzelner Behandlungen zu betrachten ist – bereits vorgezeichnet bzw. festgelegt (vgl. ausführlich dazu oben).
Damit kommt eine Aufspaltung der durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen innerhalb der Immuntherapie des Herrn T in einzelnen Behandlungsschritte, die dann abhängig vom Zeitpunkt ihrer Durchführung – u.U. auch noch nach mehreren Jahren – der Genehmigungsfiktion zugänglich wären, nicht in Betracht. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist nicht gegeben.
5. Höhe der beantragten Kostenerstattung
Da bereits ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch dem Grunde nach nicht besteht, kann dahingestellt bleiben, ob die mit Schriftsatz vom 25.09.2020 mitsamt Anlagen geltend gemachten Kosten von 84.041,46 € überhaupt allesamt Gegenstand der beantragten Gesamtleistung sind (etwa die zahlreichen nicht näher bezeichneten Medikamente) und der Höhe nach zutreffend ermittelt wurden.
Insgesamt war daher der Klage weder im Hinblick auf den geltend gemachten Sachleistungsanspruch noch bezüglich eines Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruchs stattzugeben. Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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